Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
da bist und dass es dir gut geht!“
Doch der Stoffhase würdigte die Verräterin keines Blickes. Sie war schuld daran, dass Maria fort und in großer Gefahr war. Rackiné hoppelte an Berrys Bett vorüber ganz nach hinten, wo Thunas Bett am Fenster stand. Dort kroch er unters Bett und kuschelte sich an einen pummeligen, kleinen Unhold, der dort lag und ganz leise schnarchte. Berry beobachtete den Vorgang wortlos. Dann sank ihr Kopf zurück aufs Kopfkissen. Der Brief, der darin steckte, knisterte. Sie war alleine und ihr Herz war schwer. Würde diese Nacht jemals vorübergehen?
Kapitel 12: Der blaue Sturm
Nachdem Maria verschleppt worden war, hatte Lisandra lange Zeit im Hungersaal gesessen, ohne wahrzunehmen, was um sie herum passierte. Doch irgendwann waren ihre Tränen versiegt und sie konnte wieder klar denken. Und wie sie so klar dachte, musste sie Folgendes feststellen: Sie saß völlig verheult im Hungersaal, drückte einen schleimigen Stoffhasen an sich und wurde von Geicko im Arm gehalten, was sich zwar angenehm anfühlte, doch gleichzeitig ziemlich aufregend war.
„ Es geht schon wieder“, sagte sie hastig. „Danke!“
Hierauf zog Geicko seinen Arm zurück und tat so, als wäre nichts gewesen.
„ Wir sollten reden“, sagte er. „Drüben im Turm.“
Lisandra nickte. Sie spürte, wie Rackiné seine Pfoten in ihre Arme krallte. Dieser Hase war tatsächlich lebendig. Wie schlecht es ihm gehen musste: Erst hatte er im Schnabel eines geifernden Ungeheuers gesteckt und nun war seine Maria verschwunden. Lisandra tätschelte seinen Kopf und stand auf, um mit Geicko den Hungersaal zu verlassen. Als sie im eingestürzten Turm Kriegsrat hielten, erfuhr Lisandra, dass die Spinnenfrau von der Regierung eingesperrt worden war. Geicko wiederum erfuhr, dass Maria entführt worden war, weil sie Dingen Leben einsprechen konnte.
„ Ich frage mich, wer das dritte Erdenkind ist“, überlegte Lisandra. „Könntest du es sein, Geicko?“
Geicko schüttelte den Kopf.
„ Nicht dass ich wüsste. Wie wäre es mit dir?“
„ Nein“, erwiderte Lisandra. „Ich bin zwar als Kind von meiner Ziehmutter gefunden worden und ich kann auch nicht zaubern. Aber wenn ich irgendein besonderes Talent hätte, dann hätte ich das wohl schon bemerkt, oder?“
„ Schade“, sagte Geicko und trat gegen einen morschen Holzbalken, der daraufhin verdächtig krachte. „Sonst hätten wir vielleicht was tun können. Aber so sind wir hilflos.“
Rackiné bewegte sich in Lisandras Armen und zeigte mit seiner Pfote auf den Fingerhut, den sie von der Spinnenfrau bekommen hatte. Lisandra trug ihn verborgen unterm T-Shirt, doch Rackiné hatte das Zauberinstrument trotzdem entdeckt.
„ Ja, Rackiné, wir haben noch zwei verzauberte Fingerhüte. Aber die Spinnenfrau ist nicht mehr da. Wen sollen wir damit rufen?“
„ Jemand von ihrer Seite“, sagte Geicko. „Jemand, der weiß, was zu tun ist. Wollen wir es probieren?“
Draußen vor den Fenstern des eingefallenen Turms verzog sich gerade der Nebel. Hinter einer Wolke kam die Sonne zum Vorschein. Sie tauchte den bunten Wald, die Sümpfe und auch das Innere des Turms in warmes, goldenes Licht, das jedem Menschen Hoffnung machen musste. Lisandra zog ihren Fingerhut hervor und pustete hinein, so wie es ihnen die Spinnenfrau aufgetragen hatte. Geicko tat das Gleiche. Doch daraufhin passierte überhaupt nichts. Die Sonne verschwand hinter einer Wolke, alles wurde wieder grau und dunkel und niemand antwortete auf ihren Ruf.
Lisandra pustete noch einmal in ihren Fingerhut, ungeduldig und kräftig, und da immer noch nichts passierte, schleuderte sie ihn ein paar Stockwerke tiefer in die Dunkelheit. Umso erstaunter war sie, als sie von dort unten Schritte vernahm. Jemand kam die Treppe herauf. Lisandra sah Geicko an. Er legte den Finger auf die Lippen, was bedeutete: Nicht bewegen, ganz still sein!
Sie hatten gehofft, dass die Schritte irgendwann anhalten und umkehren würden. Doch die Schritte kamen unaufhaltsam näher. Das war seltsam, denn sonst verirrte sich nie jemand in den abgesperrten Teil der Festung. Lisandra reckte ihren Kopf und spähte in den Abgrund, der sich neben den Treppenstufen auftat. Eine Gestalt löste sich aus der Finsternis und bei dieser Gestalt handelte es sich um niemand anderen als … Gerald! Gerald, der vornehme, leicht arrogante Sohn von Lehrer Winter, der sich hier wohl unbedingt seinen teuren Anzug schmutzig machen wollte.
„ Was will der denn hier?“,
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