Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
wuselte es. Sie mussten einen Schwarm Vampirmäuschen aufgeschreckt haben, die nun emsig und chaotisch in alle Richtungen flüchteten. Ein paar Schritte weiter war es wieder still.
„ Herr Winter ist nicht mein Vater“, erklärte Gerald. „Er ist nur mein Privatlehrer. Das erzähle ich euch im Vertrauen. Wenn ihr was davon verplappert, könnt ihr was erleben! Verstanden?“
„ Wieso denkst du, dass wir nichts verplappern?“, fragte Lisandra. „Wir sind Schüler von Sumpfloch! Uns kann man nicht trauen.“
„ Das sehe ich anders“, meinte Gerald nur.
„ Wer ist denn dein Vater, wenn es nicht Herr Winter ist?“, wollte Geicko wissen.
„ Wir kommen aus einer anderen Welt“, erklärte Gerald, als wäre es das Normalste überhaupt. „Hier in Amuylett hat mein Vater ein Schloss und gilt als Ritter. Das finde ich witzig, wisst ihr, in unserer Welt gibt es schon lange keine Ritter mehr.“
Geicko drehte sich nach Lisandra um, doch da sein Gesicht im Schatten lag, konnte sie es nicht erkennen. Sie nahm an, dass es so erstaunt aussah wie ihr eigenes.
„ Wenn der Lindwurm da ist“, fragte Lisandra, „was machen wir dann?“
„ Wir fliegen ins Nadelfrostgebirge“, antwortete Gerald. „Wir könnten es bis morgen Mittag schaffen. Ich hoffe, wir finden die Burg.“
„ Welche Burg?“
„ Wanderflügel. Die Burg der Cruda. Mein Vater stellt gerade ein Heer zusammen, mit dem sie angreifen wollen, aber davon halte ich nichts. Die Cruda hat die Mädchen als Geiseln, das Heer kann sie höchstens ablenken, aber nicht besiegen. Ich dachte, wir schleichen uns irgendwie in die Burg und lassen uns was einfallen. Falls ihr euch nicht traut, mache ich es alleine.“
Lisandra blieb die Luft weg. Warum brachte sich Gerald freiwillig in Gefahr? Ihm konnten Thuna und Maria doch egal sein?
„ Ich komme mit“, verkündete Geicko.
„ Ich natürlich auch“, sagte Lisandra.
Der Gang war glitschiger geworden und Lisandra hatte alle Mühe, nicht hinzufallen. Ab und zu rutschte sie aus und hielt sich im letzten Moment an Geicko fest. Angesichts dieser Schwierigkeiten tasteten sich die drei schweigend voran, bis sie das Ende des Gangs erreichten.
Als Scarlett wieder zu sich kam, dämmerte der Morgen. Sie lag auf den Steinplatten eines großen Saals. Nicht weit von ihr sprach eine wunderschöne und gleichzeitig schrecklich strenge Frau mit Panzerriesen, Widderwächtern, Adlermännern, hässlichen Zwergen und glänzenden Käferwesen, die an den Wänden saßen und dort aufgeregt im Kreis umherliefen.
Die Frau sah winzig klein aus gegen ihre Diener, zart und zerbrechlich, doch gehörte ihr alle Macht in diesem Raum, niemand sonst hatte etwas zu entscheiden. Nicht mal das geifernde Greifmonster, das sich vor einem Kaminfeuer zusammengerollt hatte und Scarlett gierig beobachtete. Grüner Speichel triefte ihm aus dem gekrümmten Schnabel und bildete am Boden eine Pfütze. Dieses Geschöpf war bemitleidenswert dürr, fast ein Skelett, und trotzdem hatte Scarlett mit eigenen Augen gesehen, wie viel Kraft es hatte. Es musste eine Kreuzung aus Faulwurm, Werwolf, Gruftnatter, Höllengreif und anderen Scheusalen sein. Seine Haut war weiß wie die der Cruda. Anscheinend hatte sie sich ein Schoßtier nach ihrem Geschmack gezüchtet.
„ Aus dieser Burg können sie nicht fliehen“, sagte die Cruda zu ihren Bediensteten. „Trotzdem müsst ihr sie so schnell wie möglich finden.“
Die meisten Geschöpfe verließen nun den Raum bis auf fünf, die an den Eingängen zum Saal Wache schoben. Die Cruda kam auf Scarlett zu. Scarlett konnte sich nicht bewegen, sie war wie gelähmt.
„ Interessanter Fall“, sagte die böse Cruda. „Ich weiß nicht, woher du deine Zauberkraft nimmst, aber du bist ganz offensichtlich kein Erdenkind. Das macht dich zu einem ausgezeichneten Leckerbissen für meinen Liebling.“
Scarlett war auch eine Cruda. Eigentlich musste sie sich nicht lähmen lassen, dachte sie. Zumindest theoretisch. Aber was konnte sie, eine blutjunge Cruda, schon gegen eine Cruda ausrichten, die seit Tausenden von Jahren ihr Unwesen trieb? Scarlett hatte vorgehabt, sich von der Cruda entführen zu lassen – was ihr gelungen war – und sie dann anzugreifen, was ihr leider nicht gelingen wollte. Es musste irgendeinen Weg geben, etwas zu tun, doch gerade führte der Weg nur in den Magen eines Monsters und sonst nirgendwohin.
„ Sag mal, mein Schatz“, sagte die Cruda, wobei sie sich an ihr hässliches Ungeheuer-Schoßtier
Weitere Kostenlose Bücher