Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
gleich in die Küche und denk mir für die Köchin eine gute Geschichte aus!“
„Aaah, du bist die Beste! Danke auch, dass du mich aus diesem Uhu-Kostüm befreit hast.“
Scarlett merkte, wie sie wütend wurde, angesichts dieser Danksagung.
„Lissi, du bist so ein Idiot! So was darfst du echt nicht mehr machen! Ich hab’s dir vor den Ferien ganz oft erklärt, aber du hast mir überhaupt nicht zugehört: Du musst langsam üben, und zwar immer mit jemandem, der auf dich aufpasst! Du musst lernen, die Kontrolle über deine Kraft zu bekommen, sonst bringst du dich damit noch um!“
„Ja, ja, ja“, sagte Lisandra und ließ sich wie eine Mumie mit all ihren Decken aufs Bett fallen. „Aber ich hab’s einfach nicht mehr ausgehalten! Dieser Morgul stinkt zum Himmel und ich ersticke dran! Ich weiß einfach nicht, wie meine Mama das aushält.“
Scarletts Wut ebbte ab, als sie das hörte. Geldmorgule waren grässlich und schwer zu ertragen, das wusste sie leider aus eigener Erfahrung. Lisandras Ziehmutter musste für einen Geldmorgul arbeiten und hatte keine andere Wahl. Sie war ihm auf dreißig Jahre per Vertrag verpflichtet, so hatte es Lisandra erzählt. Darum ging Lisandra in diesen Ferien heim, obwohl sie viel lieber in Sumpfloch geblieben oder die Einladung von Maria angenommen hätte. Aber sie wollte ihre Ziehmutter, der sie so viel verdankte, nicht im Stich lassen.
„Na gut“, sagte Scarlett gnädig, „Ausnahme gewährt. Aber in Zukunft hörst du auf mich, ist das klar?“
„Gut, dass es so dunkel ist“, erwiderte Lisandra wenig beeindruckt, „du siehst bestimmt zum Fürchten aus!“
Das tat Scarlett ganz sicher. Trotzdem hatte sich Lisandra noch nie vor Scarlett gefürchtet. Es war eigentlich ein Wunder, dass Scarlett drei Freundinnen gefunden hatte, die sich an Scarletts finsterer Art nicht störten. Selbst die ängstliche Maria sah keinen Grund, Scarlett gruselig zu finden. Es musste damit zusammenhängen, dass die drei Mädchen nicht aus dieser Welt stammten. Vielleicht hatte man in Amuylett ein unbewusstes Gefühl für die Bedrohung durch eine Cruda. Man spürte, dass da was Gefährliches war, ohne es recht zu begreifen. Aber Lisandra, Thuna und Maria spürten nichts davon. Und Gerald offensichtlich auch nicht.
„Du, ich komme mit bis zum Trophäensaal“, sagte Lisandra, als Scarlett das Zimmer verlassen wollte. „Ich glaub, da ist es hübscher als hier.“
„Auf jeden Fall funktionieren im Trophäensaal die magikalischen Lampen“, überlegte Scarlett. „Aber du solltest dich in einen Schrank setzen, bevor du eine anzündest.“
„Ich bin froh, wenn ich erst mal offiziell hier angekommen bin!“, brummte Lisandra, als sie die Leiter in den sechsten Stock hinabkletterten. „Verstecken liegt mir nicht.“
„Ich will dich ja nicht betrüben – aber es ist noch nicht sicher, ob der Kutschbus morgen überhaupt kommt. Heute hätte er’s nicht durch den Schnee geschafft.“
„Was soll das heißen?“, fragte Lisandra.
„Das heißt, dass du dich womöglich noch länger verstecken musst. Und dass der Kutschbus vielleicht leer ist, weil niemand bis nach Quarzburg durchgekommen ist, sodass du dich nicht reinschmuggeln kannst wie geplant.“
„Hm.“
„Aber die Öfen werden sie morgen anmachen, dann hast du es wenigstens warm in unserem Zimmer.“
„Immerhin. Hoffentlich hat es Geicko bis Quarzburg geschafft.“
Geicko, das war der Junge, mit dem Lisandra im letzten Halbjahr viel Zeit verbracht hatte. Heimlich. Nicht mal ihren Freundinnen hatte sie davon erzählt, es kam erst heraus, nachdem Maria und Thuna entführt worden waren.
„Du hast es gut!“, sagte Scarlett mit einem Seufzer aus tiefstem Herzen, als sie durch einen Flur im fünften Stock wanderten und dann die Treppe zum vierten hinabstiegen. „Geicko ist so arm und lumpig, dass du sicher sein kannst, dass er ehrlich zu dir ist. Es gibt keinen Grund, warum er dir seine Freundschaft nur vorspielen sollte.“
Lisandra lachte.
„Du bist schräg, Scarlett! Wie kommst du denn auf so einen Blödsinn?“
Scarlett schwieg bis zum dritten Stockwerk, bevor sie den Mut fand, ihr Problem zu offenbaren.
„Es ist wegen Gerald“, gestand sie. „Er hat mich heute geküsst.“
„Der schöne Gerald? Oh!“
„Was hältst du davon?“, fragte Scarlett. Sie wollte jetzt kein hohles Gerede hören, sondern eine erbarmungslose Einschätzung der Situation.
„Also …“, begann Lisandra und schwieg dann erst mal.
Denn sie
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