Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
Augen nicht gerade an ihm hängen blieben. Wie es das Schicksal so wollte, nahm Viego nacheinander Lisandra, Thuna und Maria an die Reihe und stellte ihnen Fragen, die außer ihm wahrscheinlich kein einziger Mensch in Amuylett hätte beantworten können. Ratlos standen die Mädchen da und wussten überhaupt nicht, wovon der Vampir sprach.
„Was habt ihr gemacht, während ich weg war?“, fragte Viego. „Ich meine mich zu erinnern, dass ich jedem einzelnen von euch Hausaufgaben aufgegeben habe, bevor ich abgereist bin! Maria, gab es irgendeinen schwerwiegenden Grund, die Bücher, die du hättest lesen sollen, nicht zu lesen?“
Marias Unterlippe zitterte. Sie hatte versucht, die Bücher zu lesen. Aber es war rein gar nichts in ihrem Kopf hängen geblieben und außerdem waren es drei ganze Bücher gewesen. Nach dem ersten halben Buch hatte sie aufgegeben.
„Ich fürchte, ich habe nicht verstanden, was drinstand“, sagte sie.
„Setz dich, wir sprechen uns nach der Stunde!“
Maria setzte sich, Thuna und Lisandra standen noch verloren herum. Was würde als Nächstes kommen?
„Lisandra, was weißt du über die geistigen Fähigkeiten einer Mücke?“
Lisandra stutzte. Eine Mücke hatte normalerweise keine allzu großen geistigen Fähigkeiten. Aber vielleicht gab es ja Mückenmenschen? Oder Mücken mit menschlichem Verstand? Es gab ja auch Molchmenschen und Spinnenmenschen.
„Das hängt davon ab, ob sie denken können“, sagte Lisandra, weil ihr nichts Besseres einfiel. „Gibt es eigentlich Mückenmenschen?“
„Wenn du damit Menschen meinst, die das Gehirn einer Mücke haben, dann ja“, antwortete Viego. „Du bist so einer. Setzen!“
Lisandra sank schnell in ihre Bank zurück, doch wenn sie gehofft hatte, dass das alles gewesen war, dann wurde sie jetzt eines Besseren belehrt.
„Lisandra, du kannst dich gleich nach der Stunde hinter Maria anstellen“, erklärte der Vampir. „Wir haben ein Wörtchen miteinander zu reden!“
Thuna stand jetzt noch als Einzige im Raum. Die Fragen, mit denen der Vampir sie zu Beginn der Stunde bombardiert hatte, waren ihr allesamt komplett unverständlich erschienen. Ein zaghafter Versuch, in den Gedanken von Viego Vandalez zu schwimmen, um zu begreifen, was er von ihr wollte, war nach hinten losgegangen. Ihr war eine schwarze, erstickend böse Wolke aus seinem Geist entgegengeschlagen, sodass sie sich schwor, nie wieder in seinen Geist zu blinzeln. Ob er ihren Versuch bemerkt hatte? Ob er deswegen so sauer war?
„Thuna“, sagte er nun, „Denkst du, dass das Wort Kreisläufe etwas mit einem Kreis zu tun hat?“
Thuna wusste nicht, was er mit dieser Frage bezwecken wollte. Also sagte sie, was sie dachte.
„Ja, natürlich.“
„Natürlich! Und findest du es sinnvoll, im Zusammenhang mit Prozessen, die in der Natur stattfinden, von einem Kreis zu sprechen?“
„Vermutlich schon“, sagte Thuna zögernd. „Sonst würde das Fach ja nicht Naturkreisläufe heißen.“
„Glaubst du, Thuna, dass du mit dieser Einstellung weit kommen wirst?“
„Mit was für einer Einstellung?“
„Alles hinzunehmen und zu glauben, was Menschen sich in ihrer Einfalt irgendwann einmal ausgedacht haben? In der Natur gibt es keine klassischen Kreisläufe, ebenso wenig wie Kreise! Es gibt nur Wechselwirkungen. Die naive Vorstellung von einem Kreislauf, der sich immer und immer wieder in ein- und derselben Richtung vollzieht, stammt aus einer Zeit, als die Menschen Sonne und Mond noch für Gottheiten hielten!“
Thuna wusste, sie würde den Kürzeren ziehen, wenn sie jetzt nicht schwieg. Doch die Frage, die sie gerade beschäftigte, ließ sich nicht unterdrücken.
„Aber das Fach heißt doch so“, sagte sie. „Müsste man es dann nicht umbenennen?“
„Wenn wir es umbenennen würden, würden wir vergessen, wo wir herkommen. Einen Irrtum muss man im Gedächtnis behalten, damit man ihn nicht wiederholt. Man muss aus ihm lernen. Also Thuna, noch einmal: Findest du es sinnvoll, im Zusammenhang mit Prozessen, die in der Natur stattfinden, von einem Kreis zu sprechen?“
„Ist es nicht so, dass der Mond um Amuylett kreist?“, widersprach Thuna tapfer. „Und Amuylett um die Sonne?“
„Der Mond tut, was er tun muss. Er gehorcht den Bedingungen, in denen er existiert. Das ist alles! Von einem Kreis sprechen nur Menschen, die sich nicht anders zu helfen wissen! Aber jetzt wollen wir die anderen Schüler nicht länger mit deiner Begriffsstutzigkeit langweilen. Wir unterhalten
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