Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
es eigentlich auch spukende Crudas? Scarlett hatte noch nie von einer gehört.
„Los“, sagte der Geistermann hinter Scarlett und drückte ihr zur Bekräftigung etwas Spitzes zwischen die Schulterblätter. „Du kommst jetzt mit uns.“
Scarlett gehorchte. Nun ging es zurück, Raum für Raum, den sie sich erschlichen hatte, und vorbei am Müllschlund, aus dem sie gekommen war. Die Geister rochen es offensichtlich nicht. Dann weiter Richtung Hungersaal. Die ganze Zeit überlegte Scarlett, was sie tun könnte, um den Geistern zu entkommen. Denn wenn sie erst mal mit den anderen Schülern im Hungersaal eingesperrt wäre, hatte Grindgürtel den heiligen Zahn in seiner Hand.
Maria machte es sich in der Spiegelfonkammer bequem. Da war ein alter Stuhl, auf den sie sich setzen konnte, und auf der Ablage unterm Spiegel lag ein Holzstift, den zauberkundige Mädchen gerne zum Schminken benutzten. Der Stift war angespitzt wie ein Bleistift, aber er hatte keine Mine. Wenn man zaubern konnte, verwandelte er sich nach Bedarf in Lippenrot, Augenschwärze, Lidfarbe oder Pickelentferner. Da Maria aber nicht zaubern konnte, vertrieb sie sich die Zeit damit, Muster, Blumen und Strichmännchen in die grün angelaufenen Wände der Spiegelkammer zu ritzen. Es gab dort schon etliche Kritzeleien aus früheren Zeiten, als die Kammer noch in Betrieb gewesen war.
Gleichzeitig lauschte Maria auf die Schritte und Stimmen außerhalb der Kammer. Soldaten, Zauberer und andere Wesen mit komischen Stimmen kamen und gingen. Man sprach darüber, dass die Zeit knapp wurde. Dann auf einmal Aufruhr. Man verständigte sich darüber, dass kein lebendes Wesen das Gelände von Sumpfloch verlassen durfte. Um keinen Preis! Befehl von ganz oben, von Grindgürtel persönlich. Jemand hatte etwas entwendet, alle Schüler sollten durchsucht werden. Falls einer bei der Flucht erwischt wurde und nicht anders gestoppt werden konnte …
Maria hörte ein Zischen. Gut. Das hatte sie verstanden. Sie würde nicht fliehen. Sie war ja nicht lebensmüde. Hoffentlich wussten die anderen auch, dass sie nicht fliehen durften. Bedrückt starrte Maria in den Spiegel. Und wieder wunderte sie sich darüber, dass ihr Spiegelbild nicht mal die Stirn runzelte. Maria legte ihre Stirn absichtlich in Falten – ihr Spiegelbild folgte, doch sah es eher komisch als sorgenvoll aus. Diese Maria im Spiegel hatte die Ruhe weg. Zu merkwürdig. Maria warf sich selbst einen verständnislosen Blick zu, dann nahm sie den Schminkstift wieder auf und zeichnete eine sehr unvollkommene Strich-Version von Rackiné an die Wand.
Scarletts Augen suchten verzweifelt nach einem Fluchtweg. Schließlich entdeckte sie einen: Da war die Treppe, die nach unten in die Heizräume führte, wo im Winter die Wäsche zum Trocknen aufgehängt wurde. Dort hatte sie mit Hanns Kekse gegessen, als es so eiskalt gewesen war. Von dort könnte sie eine andere Treppe nehmen, die zur Werkstatt der Hausmeister führte und von da gab es Gänge in verschiedene Teile der Festung. Die Hausmeister mussten ständig etwas reparieren, deswegen hatten sie ihre Werkstatt so eingerichtet, dass sie jeden Gebäudeteil der Festung ohne große Umwege erreichen konnten. Das wäre ein guter Ausgangspunkt für Scarletts Flucht! Jetzt musste sie nur einen Weg finden, die Geister abzuschütteln und über die Treppe in die Heizräume zu flüchten. Was könnte sie den Geistern Böses wünschen? Ihre Haare waren noch feucht, etwas allzu Aufwändiges oder Kompliziertes durfte es also nicht sein.
„Hey, nicht so langsam!“, sagte der Geist in Scarletts Rücken und gab ihr wieder einen Schubser mit seiner Waffe.
Das brachte Scarlett den rettenden Gedanken: Es waren ja gar nicht die Geister, die sie fürchten musste, sondern deren Waffen! Die aber unterlagen den ganz gewöhnlichen Gesetzen der Zauberkraft, denn sie waren solide und fest. Natürlich würden sich die Geister ärgern, wenn ihre Waffen ein Eigenleben bekämen … als … sagen wir mal … Schlangen?
Ein böser Wunsch, ein böser Wille, ein einfacher Plan! Doch es lief nicht so glatt, wie Scarlett sich das vorgestellt hatte: Zwar hielten die Geister sehr plötzlich statt ihrer Waffen lauter glatte, sich aalende und kringelnde Schlangen in den Händen, doch brauchten sie nur einen Augenblick, um die Lage zu erfassen und die Schlangen in Waffen zurückzuverwandeln. Scarlett schaffte es in dieser Zeit kaum bis zur Treppe. Als sie die erste Stufe betrat, flog bereits ein Hammer
Weitere Kostenlose Bücher