Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
Scarletts Kopf überhaupt nichts wäre. Sie stand auf und streckte die Arme in die Höhe. Es kam keine Decke, eher hatte sie das Gefühl, einen Luftzug an ihren Fingerspitzen zu spüren. Sie schaute angestrengt nach oben. War es da oben vielleicht heller als hier unten?
Sie tastete die Wände ab, rund um sich herum, und fand endlich einen Metallgriff. Als sie ihren Fuß daraufstellte und die Wand über sich abtastete, fand sie einen zweiten Griff. Das war es also! Hier konnte sie nach oben klettern, hoffentlich. Sie hielt sich gut fest und tastete weiter. Stück für Stück arbeitete sie sich im Dunkeln nach oben und je weiter sie kam, desto deutlicher konnte sie die Umrisse ihrer Hände und der Metallgriffe erkennen.
Der Schacht ragte wie ein Brunnen aus der Erde. Er war haushoch mit stacheligem Gebüsch überwuchert und niemand hätte unter dem Gebüsch einen geheimen Einstieg vermutet. Zumal sich dieser Einstieg im Gehege der Faulhunde befand, wie Scarlett leider feststellte, nachdem sie aus dem Schacht geklettert und sich mühsam durch das Gestrüpp ins Freie gewunden hatte. Als sie ihren Kopf aus den Dornen steckte, blickte sie in mindestens zehn neugierige Faulhundgesichter.
Faulhunde sind nicht schön. Sie sehen immer aus, als wären sie am Verhungern, mehr Gerippe als Hunde, die von einer fleischfarbenen Haut überzogen sind, die über den Knochen spannt. Die Augen sind von einem milchigen Grau-Violett, als wären sie erblindet, doch die Faulhunde können damit sehr gut sehen. Ihre Nasen arbeiten vortrefflich, sie sind dicker und schwülstiger als bei normalen Hunden. Man traut es diesen hässlichen, dürren Hunden kaum zu, aber sie haben kräftige Zähne, mit denen sie alles klein kriegen, was in irgendeiner Form essbar ist. Trotzdem jagen sie nur ungern. Faulhunde sind Aasfresser, die alles vertragen und sei es noch so verfault, verschimmelt oder halb verwest. Daher werden sie bevorzugt zur Müllbeseitigung gehalten. Ihre ausgesprochene Abneigung gegen alles, was nicht vertraut riecht, macht sie außerdem zu guten Wachhunden, vor allem gegen gefährliche Tiere, die sie gemeinschaftlich in die Flucht jagen. Im Allgemeinen musste man keine Angst vor ihnen haben, solange man nicht in ihr Gehege kletterte. So wurde es den Schülern am ersten Schultag erklärt. Scarlett erinnerte sich noch genau an Wanda Flabbis Worte:
„Die Faulhunde sind eigentlich gutmütige Tiere. Es gibt nur ganz wenige Dinge, die sie wirklich böse machen: Man sollte sie nicht streicheln, ihnen niemals etwas zu essen vorenthalten und auf gar keinen Fall in ihr Gehege eindringen! Denn das gehört nur ihnen. Fremde Gerüche machen sie da fuchsteufelswild!“
Scarletts Herz rutschte tiefer. Die dicken Nasen der Faulhunde arbeiteten, bestimmt hatten sie schon festgestellt, dass Scarlett stark nach Eindringling roch. Doch fuchsteufelswild sahen die hässlichen Hundegerippe nicht aus. Sie schnupperten, glotzten und rührten sich nicht vom Fleck. Nun hatte Scarlett eigentlich ein großes Herz für Hunde. Der alte namenlose Hund aus dem Waisenhaus war genauso ihr Freund gewesen wie Hanns und Eleiza Plumm. Und in jedem Hund, der ihr begegnete, erkannte sie ihn wieder. Selbst wenn es hässliche Faulhunde waren. Was konnten die Faulhunde auch dafür, dass sie so hässlich waren?
„Na, ihr Hunde?“, sagte Scarlett. „Zerfleischt ihr mich jetzt gleich oder eher nicht?“
Einer der Faulhunde öffnete sein Maul und hechelte freundlich. Der Gestank, der Scarlett aus seinem Maul entgegenschlug, war in seiner Ekligkeit fast unerträglich, doch Scarlett schöpfte Mut. Sie kletterte ganz langsam aus dem Gestrüpp, umringt von der Horde Faulhunde, die jetzt so neugierig schnupperten, dass sie Scarlett mit den Nasen anstießen. Einer schleckte sie hinterm Ohr ab.
„Ihr mögt mich wohl?“, fragte Scarlett. „Das gibt mir zu denken.“
Einer der Hunde lief weg und kam gleich darauf mit einem Lumpen wieder, dessen Gestank bei Scarlett akuten Brechreiz auslöste. Sofort hielt sie sich die Nase zu.
„Ich kann jetzt nicht mit dir spielen“, erklärte sie dem wedelnden Faulhund. „Tut mir so leid. Ich hole es irgendwann nach, wenn ich lang genug lebe …“
Da fiel ihr plötzlich ein, dass sie ja den heiligen Zahn besaß. Berrys rosa Knopf, der unverletzbar machte. War das der Grund, warum die Faulhunde sie nicht angriffen? Machte der Knopf unverletzbar, indem er jede Gefahr neutralisierte?
Scarlett sah sich um. Das Gelände der Faulhunde befand
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