Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
für dich angekommen.“
Scarlett nahm den braunen Brief entgegen, den der Molchmann ihr reichte, und schaute gleich auf den Absender.
„Er ist vom Duhm Vultur! Dem Direktor von Finsterpfahl!“
„Mach auf!“, rief Lisandra, aber sie musste gar nicht drängen, Scarlett war schon dabei, den Umschlag aufzureißen.
Liebe Scarlett, schrieb Duhm Vultur in einer krakeligen Handschrift. Danke für deine besorgte Nachfrage. Leider war ich in den letzten Wochen sehr beschäftigt und konnte nicht antworten. Hier ist nun meine Auskunft, soweit ich sie zu geben vermag:
Berry war bis zum Verhör durch die Regierung in Finsterpfahl untergebracht. Danach wurde sie abgeholt, angeblich, damit sie ihre Eltern im Gefängnis von Tolois besuchen kann. Vor ungefähr einer Woche bekam ich einen Brief vom Schulministerium, in dem es hieß, dass die Schülerin Berry Lapsinth-Water nicht nach Finsterpfahl zurückkehren werde und ich dies entsprechend in den Schulakten vermerken soll. Mehr weiß ich leider nicht. Ich kann nur zu deiner Beruhigung schreiben, dass mein Freund Viego Vandalez mich zu Beginn der Ferien besucht hat und zuversichtlich war, was Berrys Schicksal betrifft.
Mit freundlichen Grüßen
DUHM VULTUR, Kostenloses Internat von Finsterpfahl
Kapitel 4: Wolfskunde
Am Nachmittag trafen die Erstklässler ein. Sie kamen immer einen Tag später als die anderen Schüler. Die Mädchen beobachteten vom vierten Stock aus, wie die Neuankömmlinge in den Innenhof von Sumpfloch traten: Sie wirkten misstrauisch, ängstlich, manche wütend, andere neugierig. Es waren in der Regel Kinder, die es in ihrem Leben nicht einfach gehabt hatten. Was sie bisher über Sumpfloch gehört hatten, war bestimmt nicht vielversprechend gewesen, doch es würde ihnen gehen wie allen anderen Schülern, die bisher nach Sumpfloch gekommen waren. Nach anfänglichem Unbehagen würden sie feststellen, dass man es hier aushalten konnte. Ganz gut sogar.
„Ist das wirklich erst ein Jahr her, dass wir hier eingetrudelt sind?“, fragte Lisandra. „Die kommen mir viel jünger vor!“
„Es war ja auch ein unglaubliches Jahr“, sagte Thuna. „Das zählt mindestens doppelt!“
„Schau sie dir gut an, Lissi“, sagte Scarlett. „Wenn du dich weiterhin weigerst, Lesen und Schreiben zu lernen, dann bleibst du dieses Jahr sitzen und darfst nächstes Jahr mit denen die Schulbank drücken. Guck mal, der Krokodiljunge da – wäre das nicht ein netter Ersatz für Geicko?“
Lisandra rümpfte die Nase. Nichts gegen Krokodiljungen, aber für Geicko gab es keinen Ersatz. Niemals!
Abgesehen davon, dass die Freundinnen nun zum zweiten Jahrgang von Sumpfloch gehörten, änderte sich am Schulalltag nicht viel. Nur zwei Dinge waren auffallend anders: nämlich Berrys leerer Platz im Klassenzimmer und der Ausfall des Naturkreisläufe-Unterrichts. Offiziell hieß es, der Lehrer Viego Vandalez sei erkrankt. Doch die Bemerkungen, die Estephaga fallen ließ, wenn sie mit Thuna im Labor zusammensaß, hörten sich nicht nach einer gewöhnlichen Grippe an.
„Wenn er so weitermacht, werden sie ihn eines Tages von dieser Schule jagen“, sagte sie einmal. „Aber es ist ja auch kein Wunder. Halbvampire haben Schwierigkeiten, ein normales Leben zu führen.“
Ein anderes Mal erklärte sie:
„Er steckt seine Nase in zu viele Angelegenheiten, die ihn nichts angehen. Da muss er sich nicht wundern, wenn die Nase mal was abkriegt.“
Doch so geschickt Thuna es auch anstellte, mehr als das war aus Estephaga nicht herauszubekommen. Dafür bekam aber Estephaga eine Menge aus Thuna heraus: dass Thuna die Feenbegabung besaß und damit unter Wasser atmen und in den Köpfen anderer Wesen herumschwimmen konnte. Dass sie mit dem Nebelfräulein im bösen Wald befreundet war. Dass sie im letzten Jahr von einer bösen Cruda entführt worden war. Estephaga bohrte und bohrte und Thuna gab ein Geheimnis nach dem anderen preis. Immerhin hielten diese Geständnisse Estephaga bei Laune. Sie war sehr nett, servierte Thuna jedes Mal einen anderen exotischen Fruchtsaft und hatte immer knusprige Kekse da, die so gut schmeckten, dass Thuna sich mit Heißhunger darauf stürzte. Vielleicht waren die Säfte und die Kekse Estephagas Art, Danke dafür zu sagen, dass Thuna Pollux versorgte. Oder die Polluxe. Der schwarze Pollux war übrigens in der dritten Nacht nach Vollmond in den Schatten seines Bruders zurückgekehrt und damit spurlos vom Erdboden verschwunden.
Das Schuljahr schritt
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