Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
aufzutauchen.
„Was hast du mir da für einen Brief geschickt?“, fragte Scarlett jetzt, nachdem sie sich ein wenig gefasst hatte. „Was sollte das mit dem Grabstein von Eleiza Plumm?“
Hanns hörte auf, sie anzustrahlen, und wurde ernst.
„Das war kein Scherz, Scarlett. Ich hab sie gesucht, überall, und alles, was ich nach zwei Jahren gefunden habe, war das: ihr Grab!“
„Wo? Wo ist das Grab?“
„Auf einem kleinen Friedhof in Finsterpfahl. Ziemlich weit weg von unserem Waisenhaus, auf der anderen Seite des Landes. Niemand konnte mir sagen, warum sie tot war oder wo sie vorher gelebt hatte. Ich konnte mich einfach nicht damit abfinden.“
Scarlett spürte den Kummer in sich aufsteigen. Das mit Eleiza Plumm war sehr schlimm für sie. In den ersten Wochen der Ferien hatte sie das Bild von Eleizas Grabstein jeden Tag verfolgt. Irgendwann hatte sie gehofft, dass es ein Irrtum war. Oder ein gemeiner Trick von Hanns, um sie zu verunsichern und auf seine Seite zu bringen. Sie hatte gehofft, dass es nicht stimmte oder das Grab zu einer anderen Eleiza Plumm gehörte. Die fischköpfige Magd aus dem Waisenhaus war wie eine Mutter für Scarlett gewesen. Die einzige Mutter, die sie jemals gehabt hatte.
„Ich kann mich auch nicht damit abfinden“, sagte Scarlett und spürte deutlich den Kloß in ihrem Hals. „Aber wenn es doch nun mal so ist?“
„Dann müssen wir herausfinden, warum es so ist! Außerdem haben wir in Fortinbrack ein anderes Verhältnis zu Toten.“
„Wie meinst du das?“, fragte Scarlett.
„Wir wecken sie auf, wenn wir meinen, dass sie es wert sind.“
„Nein!“, rief Scarlett, obwohl sie es doch besser wusste. Es war bekannt, dass Fortinbrack eine Menge Gespenster beherbergte, sie sogar in seine Heere eingliederte und für das Reich kämpfen ließ. Scarlett hatte bei der Schlacht um Sumpfloch eine Begegnung mit zwei Geisterkriegern aus Fortinbrack gehabt. Es war keine schöne Begegnung gewesen.
„Was sollte ich denn tun, Scarlett? Sie tot sein lassen, ohne zu wissen, was mit ihr passiert ist? Sie abhaken und vergessen? So bin ich nicht!“
Scarlett schüttelte den Kopf.
„Sag nicht, dass du Eleiza zu einem Gespenst gemacht hast“, sagte sie fast flüsternd. Die Vorstellung kam ihr abscheulich vor.
„Scarlett!“
„Du hast nicht …“
„Doch! Es ist schwierig, so etwas zu tun, aber es ist mir gelungen. Ich konnte sie zurückrufen, sie hat das Grab verlassen und ist mit mir nach Fortinbrack gegangen. Mach dir keine Gedanken deswegen. Wir sind gut zu Geistern und es ist doch besser, als tot zu sein, oder?“
Scarlett zweifelte daran. Sie wusste nicht viel über Geister, aber hatte doch gehört, dass sie darunter litten, sich selbst überlebt zu haben. Manche Seelen zahlten diesen Preis gerne, andere flehten darum, erlöst zu werden.
„Wie geht es ihr?“, fragte Scarlett besorgt. „Du darfst sie auf keinen Fall quälen, Hanns! Wenn sie aufhören will, ein Geist zu sein, musst du ihr das erlauben!“
„Natürlich“, sagte Hanns, doch seine Stimme klang kühler als zuvor. „Interessiert es dich gar nicht, was sie mir erzählt hat?“
„Sag mir erst, wie es ihr geht!“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und nickte.
„Na schön. Es geht ihr mal gut und dann wieder schlecht“, sagte er. „Einen Tag scheint sie fröhlich zu sein, am nächsten ist sie wieder schwermütig. Das ist auch nicht anders als bei uns Menschen.“
Scarlett hielt das für eine Ausrede. So, wie sie Eleiza Plumm kannte, wollte die brave Fischfrau kein Geist sein. Schon gar nicht in der Tiefkühltruhe von Fortinbrack unter der Fuchtel des alten, bösen Herrschers Grindgürtel. Scarlett fröstelte bei dem Gedanken. Vielleicht lag es aber auch daran, dass es Nacht geworden war und sich unter den Bäumen die herbstliche Kühle ausbreitete.
„Woran ist sie denn gestorben?“
„An einer Grippe.“
„Einer Grippe?“
Scarlett hatte alles Mögliche vermutet – dass Eleiza an den Folgen des Verhörs gestorben war oder gar eingesperrt worden und in Gefangenschaft gestorben war. Dass man ihr Übles gewollt und sie hinterrücks ermordet hatte. Aber in Wirklichkeit war sie an einer Grippe gestorben! So etwas kam vor in Finsterpfahl, wenn man nicht genug zu essen hatte und sich keinen Arzt leisten konnte.
„Sie hatten sie damals festgenommen, weil die Heimleiterin glaubte, sie sei eine böse Cruda.“
„Ja, aber ich war die böse Cruda, nicht sie. Sie wollte mich beschützen!“
„Das
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