Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
sind, siehst du mich vielleicht mit anderen Augen. Bis dahin wünsche ich dir alles Glück, das ein Mensch nur haben kann!“
Hanns klang aufrichtig. Als ob seine Worte von Herzen kämen.
„Von Eleiza soll ich dir übrigens Grüße ausrichten. Sie ist froh, dass du all die Jahre überstanden hast und jetzt in Sumpfloch gut aufgehoben bist.“
„Bin ich das denn?“
„Vielleicht. Ich werde ihr jedenfalls nicht widersprechen, wenn sie so was sagt, denn ich will sie ja nicht beunruhigen.“
„Aber mich beunruhigst du.“
„Weil du das verkraftest. Vergiss nie, Scarlett, dass du etwas ganz Besonderes bist! Für mich sowieso.“
Bevor es Scarlett verhindern konnte, beugte sich Hanns vor und gab ihr einen Kuss auf die Lippen. Dann verschwammen seine Umrisse vor ihren Augen und er war wieder der junge, graue Wolf, der so überraschend und lautlos zwischen den Bäumen aufgetaucht war. Auf die gleiche Weise verschwand er auch wieder: ein Lichtfleck, der sich mit anderen Helligkeiten vermischte, sodass Scarlett fast glaubte, sie sei einer Sinnestäuschung erlegen. War er wirklich hier gewesen? Scarletts Herz pochte und bezeugte es.
Am nächsten Morgen herrschte im Hungersaal große Aufregung. Das Gespenst von General Kreutz-Fortmann war gesichtet worden! So, wie es aussah, handelte es sich diesmal um keinen Fehlalarm. Jemand musste all die Schutzzauber über der Trümmersäule und Kreutz-Fortmanns Grab aufgerissen und entkräftet haben. Grohann, der den Tatort sofort untersuchte, konnte den Verdacht nur bestätigen: Der General war mutwillig befreit worden. Scarlett nahm die Neuigkeit noch bestürzter auf als alle anderen Schüler. Sie hatte wirklich geglaubt, Hanns sei ihretwegen gekommen. Aber das Rendezvous war wohl eher eine Nebensache gewesen …
Kapitel 5: Die letzte Kaiserin
„Wie kann er es wagen?“, schimpfte Lisandra. „So eine bodenlose Gemeinheit!“
Die Mädchen hatten gerade ihre Hausaufgaben gemacht (oder in Lisandras Fall so getan als ob) und folgten nun dem gleichen Weg, den Scarlett am Vorabend gegangen war. Nur dass jetzt helllichter Nachmittag war und unter den Bäumen kein Wolf auftauchte. Sie hatten auch nicht vor, länger am Waldrand zu bleiben, denn ihr Weg führte sie weiter ins Dorf Gürkel, wo sich Maria neues Briefpapier kaufen und Lisandra im magikalischen Antiquitätenladen stöbern wollte.
„Ja, ich weiß auch nicht, was ich von Hanns denken soll“, sagte Thuna. „Erst tut er so, als wollte er Scarlett wiedersehen, und dann befreit er dieses üble Gespenst!“
„Ich rede doch nicht von Hanns!“, rief Lisandra.
„Sondern?“
„Von Grohann! Er hat so ungefähr jeden Ort in der Festung abgesperrt, den ich mag!“
„Weil er glaubt, dass sich das Gespenst dort verstecken könnte“, meinte Thuna. „Das ist doch nur vernünftig.“
Maria lachte über Lisandras Ausbruch.
„Du und das Gespenst, ihr habt wohl den gleichen Geschmack“, sagte sie. „Vielleicht solltest du Grohann bitten, dich als Gespenster-Suchhund loszuschicken!“
„Dieser tolle Grohann hat riesige Hörner, aber wer weiß, ob überhaupt was dahintersteckt“, schimpfte Lisandra. „Von einem gestandenen Zauberer erwarte ich, dass er ein gefährliches Gespenst innerhalb von einer Stunde aufstöbert! Statt blöde Sperren aufzustellen und Verbotszauber drumzuwickeln.“
Scarlett schaute sich unter den Bäumen besonders aufmerksam um. Sie suchte nach Spuren, die der Wolf hinterlassen haben könnte, aber sie fand keine.
„Ich frage mich, ob er wirklich hier gewesen ist“, sagte sie. „Vielleicht war er nur eine Erscheinung? Ein Abbild von ihm selbst?“
„Aber du hast gesagt, er sah vollkommen echt aus“, erinnerte sie Thuna.
Ja, er hatte echt ausgesehen, dachte Scarlett, und der Kuss hatte sich auch echt angefühlt.
„Dann müsste er aber Spuren hinterlassen haben. Schau mal – hier sind Abdrücke meiner Schuhe. Aber keine von ihm!“
„Bist du sicher, dass es die richtige Stelle ist?“
Nein, das war Scarlett nicht. Gestern war es dunkel gewesen. Jetzt sah alles ganz anders aus.
„Was spielt das überhaupt für eine Rolle?“, fragte Lisandra. „Er war echt genug, um das Siegel an der Trümmersäule zu zerreißen. Das muss man erst mal schaffen! Und dann hat er auch noch den General aufgeweckt. Wisst ihr, wie verdammt schwierig Geisterbeschwörung ist? Der Kerl hat’s echt drauf!“
„Das musst du nicht toll finden“, sagte Thuna.
„Muss ich nicht, tu ich aber!“,
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