Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
gleich aussehen. Da konnte Rackiné tausend Mal sagen, dass das schöne Feenhaare waren, fein und glatt und seidig, und dass sie das schönste Gesicht der Welt hatte. Thuna fand, dass es ein langweiliges Gesicht war. Wie sollte sie da einen Jungen beeindrucken, der so gut aussah wie Lars, der immer gut angezogen war und es einfach nicht nötig hatte, sich in eine graue Maus zu verlieben? Manchmal wünschte sie sich, sie hätte Lars nie kennengelernt. Dann wäre ihr das eigene Aussehen völlig egal gewesen. Sie würde immer noch jede freie Minute in der Bibliothek verbringen und von der großen, weiten Welt träumen. Jetzt hatte Thuna das Gefühl, dass sie den Schutz der Bibliothek verlassen und eine unschöne Entdeckung gemacht hatte: nämlich dass sie für die große, bunte Welt viel zu farblos war. Lisandra hatte bestimmt recht. Thuna war nicht locker und eine langweilige Besserwisserin.
„Sag es einfach, wenn wir etwas für dich tun können“, sagte Maria jetzt und legte Thuna den Arm um die Schulter. „Wir sind dir sowieso was schuldig, Lissi und ich. Die ganze Zeit beschützt du uns vor Estephaga!“
„Ja, aber das werde ich nicht ewig können“, sagte Thuna traurig. „Sie fragt und fragt und ich muss reden. Irgendwann verplappere ich mich und sie findet die Wahrheit raus.“
In der Ferne kreuzte eine Gruppe von Schülern auf, die aus dem Dorf zurückkam. Daher wechselten sie das Thema und sprachen über einen Laden, der im Dorf eröffnet haben sollte, in dem sie aber noch nicht gewesen waren. Der Besitzer des Ladens war angeblich ein drachengesichtiger Mann aus dem fernen Taitulpan. Er verkaufte einfache Papierzauber, kunstvolle Fächer, exotische Teeblätter und singendes Porzellan. Das Bemerkenswerte an dem Laden war, dass in seinem Inneren komische Wetterbedingungen herrschten. Es donnerte und blitzte, manchmal fegte ein Windstoß durch die Regale oder Nebel stieg vom Boden auf. Einmal hatte es sogar genieselt. Der Verkäufer verteilte daraufhin Regenschirme und entschuldigte sich mit vielen demütigen Verbeugungen bei seinen Kunden.
Als die Mädchen im Dorf ankamen, mussten sie leider feststellen, dass der neue Laden namens ‚Stille Blume für jeden Bedarf’ geschlossen war. Und zwar ‚wegen starkem Schneefall’, wie ein Zettel am Eingang erklärte. Das mit dem Schneefall war allerdings bemerkenswert, denn die Mädchen schwitzten von der Wanderung unter der heißen Sonne und konnten sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es hinter der Tür so kalt sein sollte.
„Dann eben nicht“, sagte Maria. „Gehen wir in den Baumstumpf.“
Maria lud ihre Freundinnen zu ein paar großen, köstlichen Pilzen ein (alle Torten im Baumstumpf waren pilzförmig und trugen Namen wie Knusperfuß, Butterweicher Täubling, Schokotrompete oder Orangenschwämmchen) und danach ging Maria mit Thuna in „Tante Friedchens Kringelkrams“, um einen Stapel frisches Briefpapier zu kaufen. Thuna entdeckte bei der Gelegenheit einen Handspiegel, der ihr sehr gut gefiel. Ihr Gesicht sah in diesem Spiegel viel hübscher aus als sonst.
„Der Spiegel passt zu dir“, sagte Maria. „Kauf ihn dir doch! Du hast das Geld von meinen Eltern immer noch nicht ausgegeben!“
„Ich spare es lieber“, sagte Thuna und kam sich dabei schon wieder langweilig vor. Aber das mit dem Sparen hatte sie sich fest vorgenommen. Die Montelago Fenestras hatten ihr in den Ferien eine hübsche Börse mit fünf Silberflöhen geschenkt. Flöhe, so nannte man die Taler, die in Amuylett die Hauptwährung darstellten. Wenn Thuna das spärliche Taschengeld sparte, das man in Sumpfloch bekam – ein halber Floh im Monat – dann könnte sie sich im Winter eine neue Hose und einen neuen Pullover davon kaufen. Etwas Neues und nicht die geflickten Gebrauchtwaren aus der Sammelstelle, die Thuna normalerweise kaufen musste, weil sie sich nichts anderes leisten konnte.
„Gut“, sagte Maria. „Dann kaufe ich ihn und leihe ihn dir aus!“
„Nein, das …“
„Doch!“, rief Maria, riss Thuna den Spiegel aus der Hand und lief schnell zur Kasse, bevor Thuna sie aufhalten konnte.
Lisandra und Scarlett besuchten unterdessen den magikalischen Antiquitätenladen „Tiger, Sarg & Gabel“. Die Gegenstände, die es dort aus alten Zeiten zu kaufen gab, waren sagenhaft teuer. Lisandra hätte sich nicht mal einen der fünfhundert Sargnägel leisten können, die in großen Gläsern neben dem Totenschrein von Onymung dem Geschlängelten (wer auch immer das
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