Die Supermarkt-Lüge
europäÂisches Lebensmittelrecht definiert.
Die britische Advertising Standards Authority (ASA), eine unabhängige, brancheninterne SelbstregulierungsÂinitiative, die Werbung, Verkaufsförderung und Direkt-Marketing in GroÃbritannien beaufsichtigt, vertritt eine klare Meinung in dieser Frage: Wer seine Produkte als Ânatürlich bewerben will, braucht nicht nur Produkte natürlichen Ursprungs, sie müssen auch auf natürliche ÂWeise hergestellt werden oder zumindest in einer Weise, die der natürlichen nahesteht. Sonst wird der Verbraucher in die Irre geführt.
»Die Folgen dieser Erklärung sind weitreichend«, so ÂUlrike Thomas, Product Manager Food Ingredients bei Kampffmeyer Food Innovation in Hamburg, in einem Cleanlabel-Seminar 2010. »Wenn ein Lebensmittelhersteller die Natürlichkeit seiner Produkte herausstreichen will, so muss er nicht nur natürliche Rohstoffe verwenden, sondern auch überprüfen, ob die Verbraucher die Verarbeitungsmethoden als natürlich ansehen.«
Cleanlabel-Experten verfügen inzwischen über entsprechende Statistiken: Backen ist für den Verbraucher natürlich, die Beigabe von Enzymen, Konservierungsstoffen oder Bestrahlung sind es nicht. Weizenmehl, Reismehl oder Gelatine gelten als natürlich, E 407 empfanden 69,8 Prozent der Befragten als »unnatürlich bis sehr unnatürlich«. Chemisch modifizierte Stärke lehnten 79,9 Prozent ab.
Würden die Forderungen der ASA europaweit übernommen, wäre dies wahrscheinlich ein Albtraum für die Lebensmittelindustrie.
Permanent erklären Lebensmittelhersteller wie gut, wie natürlich und wie sicher ihre Zusatzstoffe seien. Aber warum geben sie sich dann so groÃe Mühe, die Präsenz der selben zu verschleiern? Warum sollte man ein gutes, natür liches Produkt vor dem Kunden verbergen wollen? Oder vielmehr, warum muss man ihm erklären, dass dieses Produkt ganz natürlich ist? Wie die britische Umfrage zeigt, haben Kunden durchaus eine Idee davon, was natürlich ist. Und die versuchen die Hersteller zu verbiegen.
Hefeextrakt â ein Geschmacksverstärker?
»Clean labeling« funktioniert auf vielerlei Weise. Fabrikanten können das Rezept ändern. Sie können zum Beispiel Zusatzstoffe ersetzen. Man kann den umstrittenen Geschmacksverstärker Glutamat durch Hefeextrakt ersetzen, denn in Hefeextrakt stecken die Geschmacksverstärker Glutamat, Inosinat und Guanylat. Genauer gesagt setzt es diese Substanzen frei. Produkte mit Hefeextrakt werden in deutschen Supermärkten regelmäÃig als »frei von Geschmacksverstärkern« oder »ohne Geschmacksverstärker« gepriesen. Dies ist legal, denn Hefeextrakt ist kein Zusatzstoff, sondern eine Zutat. Hefeextrakt gibt es daher auch im Reformhaus; in GroÃbritannien ist es unter dem Namen Marmite ein populärer Brotaufstrich.
Solches Extrakt enthält in der Regel Hefekulturen, die durch sogenannte Autolyse in warmer Flüssigkeit abgetötet werden. Mit Hefe, wie wir sie vom Backen kennen, hat dieses Produkt jedoch wenig zu tun. Entsprechende ÂPatente, wie etwa von »Oriental Yeast« präzisieren, wie die Extraktion abläuft: »Hefeextrakt [â¦] ist bisher durch ÂAutolyse, Zersetzung mit Enzym, chemische Zersetzung mit Säuren, Alkalien, Salzen usw. hergestellt worden und ist durch die jeweiligen Verfahren gekennzeichnet. [â¦] Zum Beschleunigen der Autolyse werden hauptsächlich organische Lösungsmittel wie Ethylacetat, Toluol usw. verwendet. Zusätzlich sind auch andere Verfahren ausprobiert worden, wie die Zersetzung mit Enzymen, bei der ein ÂEnzym, das von Schimmelpilzen, Bakterien oder dergleichen erhalten wird, hinzugegeben wird, Zugabe von physiologischer Kochsalzlösung in einer hohen KonzentraÂtion usw.«
Zur Optimierung des Extraktes schlägt Oriental Yeast die Zugabe von Chitosan vor, die »aus Schalen von Krustentieren wie Krabben, Garnelen, Krill usw., Insekten, Pilzen, Zellwänden oder dergleichen« gewonnen wird. Die Hersteller von Hefeextrakten verkaufen sie den Lebensmittelindustriellen unverblümt als Glutamat freisetzende Geschmacksverstärker, während Hefeextrakt im Handel als natürliche Zutat deklariert wird.
Das Unternehmen Ohly aus Hamburg, einer der Marktführer, erklärt, sein Hefeextrakt sei Resultat »einer Standard-Autolyse, bei der die löslichen und
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