Die Supermarkt-Lüge
manchmal knapp. Ob es dem Herrscher um die kulinarischen Freuden des Volkes oder die Versorgung der ÂArmee ging, ist umstritten. Fest steht, dass seine Majestät eine Belohnung für den besten Butterersatz auslobte. Der Apotheker Hippolyte Mège-Mouriès (1817 â 1880) aus Draguignan hatte die Kühe auf den Feldern seiner Heimat gut beobachtet und festgestellt, dass magere Rindviecher keine gute Milch für Butter gaben. Fette Rinder bauten ihr Körperfett ab, wenn sie regelmäÃig gemolken wurden. Mège-Mouriès zog daraus den falschen Umkehrschluss, dass es möglich sein müsste, aus Rinderfett Milch und damit letztendlich Butter zu produzieren. Er stellte eine Emulsion aus Rindertalg, Wasser und Buttermilch her, nach einigen Quellen fügte er auch gehackten Kuheuter hinzu. Das fertige Produkt nannte er Margarine, nach dem griechischen márgaros : perlweiÃ. Am 15. Juli 1869 wurde seine Erfindung patentiert. Reich wurde er damit allerdings nicht, da er die Rechte an den niederländischen Jurgens Konzern abtrat, der drei Jahre später in groÃem MaÃstab Margarine zu produzieren begann. Der Erfinder verstarb angeblich verarmt.
Heutige Margarine enthält in der Regel keinen Rindertalg. Gehärtete Fette können jedoch vorkommen. Etwa 90 Prozent der Fette sind pflanzlichen Ursprungs, wie Palmöl, Rapsöl, Sojaöl, Erdnussöl oder Sonnenblumenöl. Für den Rest können Fischöl, Milchfette oder besagter Rindertalg genutzt werden. Eine Ausnahme bildet die Pflanzenmargarine , die zu 97 Prozent aus PflanzenÂfetten besteht.
Die Werbung spricht Margarine seit Jahren und Jahr zehnten positive gesundheitliche Wirkungen zu. Wer ei nen Blick auf Herstellungsweise und Inhaltstoffe wirft, der muss daran zweifeln. Margarine enthält wie gesagt gehärtete Fette. Bei einem Vergleich der Stiftung Warentest im Jahr 2002 enthielten sechs Margarinesorten sogenannte Transfettsäuren . Sie erhöhen die Konzentration von schlechtem LDL-Cholesterin im Blut. Acht Margarinen wurden in der damaligen Untersuchung mit »mangelhaft« bewertet.
Die Zeitschrift Ãkotest fand 2010 in 16 von 19 geprüften Margarinen Glycidyl-Ester , eine Vorstufe des Âgiftigen und möglicherweise krebserregenden Stoffes ÂGlycidol. Die Farbe, die nicht ganz zufällig an Butter erinnert, stammt von den Zusatzstoffen E 160a bis E 160 g und E 161a bis E 161h, den Karotinoiden.
Margarinen werden durch Hydrierung der Fette, also Zugabe von Wasserstoff, gehärtet, wonach sie über weniger Vitamine verfügen. Also setzt man einfach die VitaÂmine A, E, B6 und B12 aus der Fabrik zu. Ãrzte kritisieren inzwischen die dauernde, unkontrollierte Vitaminberieselung des Verbrauchers (vgl. Kasten Seite 210).
Dennoch investieren Hersteller weiter in die »gesunde Margarine«: Unilever behauptet von seiner Margarine Becel Pro Activ, sie würde bei regelmäÃigem Verzehr den Cholesterinspiegel senken. Die cholesterinsenkende Wirkung sei »in über 40 Studien bewiesen«. Wer diese StuÂdien bezahlt hat, präzisiert die entsprechende Pressemitteilung nicht. Die Verbraucherschützer von Foodwatch forderten Unilever auf, ihre Becel Pro Activ statt im Supermarkt lieber in der Apotheke zu verkaufen.
Derartiges functional food ist ein Modethema unter Lebensmittelherstellern. Essen, das uns gesünder, schöner, schlauer macht. Das Konzept der Selbstmedikation durch frei verkäufliche Lebensmittel erscheint jedoch höchst fragwürdig. Nur einmal angenommen, unser Essen würde tatsächlich wie ein Medikament wirken: Kranke, die eigentlich medizinische Hilfe benötigen, könnten dann versuchen, sich mit Waren aus dem ÂSupermarkt erst einmal selbst zu therapieren. Gesunde wiederum würden permanent medizinisch wirksamen Stoffen ausgesetzt, die von verschiedensten Lebensmitteln stammen könnten. Würde ein Arzt seinem Patienten zu hemmungsloser Selbstbedienung in der Apotheke raten?
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Kein Milchprodukt ohne E 407?
Vielleicht haben Sie es schon bemerkt, in fast jedem Milchprodukt steckt inzwischen E 407, Carrageen. E 407 steckt nicht nur in Sahne, Puddingpulver, Eiscreme und Trockenmilch, sondern auch in Shampoos, Zahnpasta oder Schuhcreme. Zwar wird E 407 unverdaut wieder ausgeschieden, Wissenschaftler sind dennoch der Meinung, dass es die Aufnahmen von Nährstoffen beeinträchtigen und den Verlauf
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