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Die Tänzerin auf den Straßen

Die Tänzerin auf den Straßen

Titel: Die Tänzerin auf den Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Gudrun Sieber
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männlichen, sterilen Bedingungen der Krankenhäuser und Geburtsmöglichkeiten hatte ich es geschafft zu lieben, weich zu bleiben, Mutter zu sein. Wieviele Frauen waren den wissenschaftlichen Dogmen unterlegen, waren selbst traumatisiert und unfähig, aus ihren Instinkten eine natürliche Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen trotzdem zu stillen, obwohl es verpönt war, das Baby trotzdem mit ins Bett zu nehmen, obwohl es verboten war usw. Sind nicht Generationen von Menschen, Mütter wie Kinder, traumatisiert und um das Erlebnis einer natürlichen Geburt betrogen? Und mit welchen schrecklichen Folgen?
    Ich lief und lief. Zorn kam hoch, Trauer und Tränen, richtige Wutausbrüche und wieder Trauer und Tränen... Kilometer um Kilometer. Wer würdigt Mütter?
    Macht euch die Erde untertan! Die Mutter aller Wesen, die Erde, ist ausgebeutet und verachtet, wie die Frauen und Mütter dieser Welt, unter männliche Prinzipien gestellt, unter die Dogmen patriarchaler Religionen und das Dogma der Wissenschaft.
    Ich dankte allen Frauen und Männern, die sich einsetzen für eine sanfte natürliche Geburt und für die Erhaltung des Lebens auf der Erde. Und ich dankte meinen beiden Söhnen, die ihre Kinder mit ihren Frauen gemeinsam auf liebevolle Art zur Welt gebracht haben, bereit, eine neue Männlichkeit aus ihrem Herzen zu leben. Meine vier Enkelmädchen sind sanft in die Welt gefallen.
    Mit Luciana habe ich mich betrunken, als wir uns irgendwann wiedertrafen. Wir haben geweint, gelacht, uns umarmt und einander gedankt.
    Viele andere Pilger kreuzten meinen Weg. Es gab eine innere Verbindung, einen Klang oder Ton, der in allen auf der Saite der Sehnsucht wie auf einem Instrument gespielt wurde.
     

M eine Füße sprechen mit dem Weg,
sie kennen jeden Stein
und jeden Fußabdruck im Sande,
Jahrhunderte alt,
von vielen Menschen
in Tausenden von Tagen gegangen,
aus der Richtung des Morgens
hin zum Westen,
wo die Sonne untergeht.
 
Der Weg erzählt meinen Füßen
vom Schweiß der göttlichen Hingebung
an das Sehnen
im schweigsamen Raum der Existenz,
das aus der Erde klingt
wie ein Glockengeläut zum Sonntag,
allein vernommen
von verweinten Herzen
in der Einsamkeit durchwachter Nächte.
 
Und alle Fußabdrücke zusammen
klopfen wie ein einziges Erdenherz
auf dem Weg der Sehnsucht
ans Ende der Welt...
in tausend Jahren
oder an einem einzigen
Tag in Liebe zu sein
zu sich selbst.
     

C aminoliebe
 
Er kam wie der Ostwind frisch,
legte sich zu mir unter die Sterne,
blieb im warmen Mittag
und im roten Wein,
bedeckte im heißen Sand
mich mit Küssen,
glühend wie die Mittagserde,
duftend wie das Holz der Pinien,
und ging davon wie ein Zigeuner
mit einer plötzlichen Brise
des kalten Nordwest.
     

Ich quäle mich, ich quäle mich. Zwölf Kilometer gelaufen und noch immer kein Frühstück. Es ist Sonntag. Ich bin kurz vor San Juan de Ortega. Alle Bars haben geschlossen. Es ist kalt, es regnet. Leon, hättest du geglaubt, dass aus den staubigen Wegen von gestern elende Schlammpisten von heute werden? Lehm, der an den Schuhen klebt in großen Schlammbatzen und ich nicht mehr laufen kann? Es geht bergan, der Wind treibt mir Tränen ins Gesicht. Ich regne aus meinen Augen, so wie die Landschaft aus ihren. Ich will nicht mehr, doch kann ich mich nirgendwo ausruhen, es ist zu nass, selbst unter den Bäumen gießt es. Ich fluche und schreie und heule und versuche ständig, diese verdammten Klumpen von den Schuhen abzubekommen. Ich will noch nicht mal mehr „lieber Leon“ schreiben, so wütend bin ich...
     

Schritt... Schritt... Gehen... Gehen...
    Ich regte mich über die Radfahrer auf, die so wie andere Touristen von Reiseunternehmen gemanagt wurden und von denen manche ins Guiness-Buch der Rekorde wollten. Ich musste verstehen, dass die Zeiterscheinungen auch hier nicht ausblieben. Dann war Herbstanfang, 21. September. Auch in Spanien fielen die Blätter, aber es war noch immer heiß. Nur am Sonnenstand und Sonnenaufgang konnte ich den Herbst wahrnehmen.
    Jeder Tag brachte mir das Bewusstsein, dass das Leben banal ist, so wie der Weg banal war. Es hatte mich enttäuscht. Die wirklich großen Dinge und Gefühle, die einen Pilgerweg ausmachen sollten, waren bisher nicht geschehen. Das Leben ist in Wirklichkeit klein bei klein. Schritt... Schritt...
    Sollte ich nun endlich mal kapieren, dass Leben und Spiritualität mit den alltäglichen Dingen und sehr viel mit dem Auf-dem-Boden-bleiben zu tun hat?
    In Burgos traf ich auf eine feine kleine

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