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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Einholen der Netze, hatte er sich krampfartig an die Brust gefaßt und war vornüber auf das Deck unter ihm gestürzt.
    Seine Männer hatten ihn heimgebracht. Einen Tag lang hatte er bleich und regungslos in seinem Bett gelegen; und mit wenig mehr als einem leichten Stöhnen war er schließlich gestorben.
    Irina ging zur nächsten Kerze. Heute abend würden sich alle versammeln, um dem Mann die letzte Ehre zu erweisen, der ihr Anführer, ihr Dai, gewesen war.
    »Es ist an der Zeit, sie jetzt hereinzulassen«, meinte Anna im Hintergrund.
    Irina seufzte. Es war so friedlich gewesen, als sie allein bei ihrem Vater wachte und die vielen Dinge erledigte, die sie vom Grübeln abhielten.
    Jetzt würden die Familien in diesen Frieden einbrechen. Die stämmigen Männer würden verlegen und eingeengt von den Wänden herumstehen, die Frauen hingegen geschäftig und voller Mitgefühl, und die Kinder würden sich in ihren regennassen Kleidern und der verordneten Stille am unwohlsten fühlen und am liebsten ausbüxen. Irina würde mit ihnen allen sprechen und zumindest etwas von ihren Gefühlen zeigen müssen, damit man sie nicht für herzlos hielt. Sie hoffte inständig, daß sie ihre Tränen auch weiterhin zurückhalten konnte, denn jetzt hielt nur noch ihr Stolz sie aufrecht.
    »Ist Mardic soweit?« fragte sie Anna ruhig und gefaßt.
    »Ja, er hat sich bereits umgezogen. Aber findest du nicht auch, es wäre für den Jungen besser, wenn er erst später dazukommen würde?« sorgte sich Anna um ihren letzten Zögling.
    »Nein, sein Platz ist hier«, erklärte Irina bestimmt.
    »Aber es fällt ihm doch so schwer«, murmelte Anna.
    »Er ist fast zehn«, entgegnete Irina. »Er muß jetzt schnell erwachsen werden.«
    »Du hast wohl recht«, seufzte Anna und ging hinaus, um Mardic zu holen.
    Ja, Mardic würde jetzt schnell erwachsen werden müssen. Und das galt auch für sie. Die sorgenfreien Tage, in denen sie an der Seite ihres Vaters zum Fischfang ausgefahren war und alle hausfraulichen Pflichten Anna überlassen hatte, waren endgültig vorbei. Ohne die Begleitung durch einen älteren männlichen Verwandten würde man die Anwesenheit eines jungen, unverheirateten Mädchens an Bord sicherlich nicht billigen. Außerdem würde Anna sich einen neuen Haushalt mit vielen kleinen Kindern suchen, um die sie sich so gerne kümmerte, sobald Mardic selbst mit den Booten ausfahren würde. Sie hatte das im Lauf des letzten Jahres klar und deutlich zu verstehen gegeben, aber Irina hatte diesen Gedanken immer weit von sich geschoben.
    Jetzt konnte sie dem nicht länger ausweichen. Nach Vaters Tod würde Mardic seine Stelle einnehmen müssen, auch wenn er gerade mal neun war. Und sie würde die schwere Verantwortung der Haushaltsführung zu tragen haben. Keiner fragte, ob sie die damit verbundenen Arbeiten wie Kochen, Proviant sammeln und Vorräte anlegen gerne erledigte. Irgend jemand mußte es schließlich tun, und sie war immerhin vertraut damit – dafür hatten ihre Mutter und Anna schon gesorgt.
    Aber die See würde ihr fehlen.
    Mit Mardics Ankunft war auch ihre kurze Ruhepause beendet.
    Irina öffnete die beiden Türflügel zur Halle, und die Fischer drängten mit ihren Frauen und Kindern in die Kammer.
    Der Abend zog sich, wie sie befürchtet hatte, in die Länge.
    Modriger Geruch feuchter Wolle und nasser Haare lag penetrant in der Luft. Regendurchnäßte Kleider klebten an Körpern, das ungewohnte Paar »guter« Schuhe drückte. Jeder fühlte sich unwohl.
    Und so geschickt, wie die Männer sonst auch im Umgang mit Netzen und Segeln waren, so unbeholfen suchten sie jetzt nach den passenden Worten.
    Irina war erleichtert, als die ersten Frauen sich mit ihren Kindern endlich auf den Heimweg machten. Die dicken weißen Kerzen waren schon zur Hälfte niedergebrannt.
    Als sie ihren kleinen Bruder ansah, bemerkte Irina, daß er die Augen kaum noch offen halten konnte. Mardic war wie sie selbst seit dem Morgengrauen auf den Beinen gewesen und hatte bei den zahlreichen Vorbereitungen für den heutigen Abend geholfen. Und auch wenn ihr selbst genauso zumute war, durften sie beide sich das nicht anmerken lassen. Nicht heute abend.
    »Bleib hübsch wach!« zischte sie ihm zu. »Und halte dich gerade!«
    Er gehorchte, hob den Kopf und straffte die Schultern. Irina spürte, wie stolz sie auf ihn war.
    Ihr fiel es schon schwer genug, und sie war doppelt so alt wie er; um wie vieles schwerer mußte es für ihn mit seinen neun Jahren sein! Sie erinnerte

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