Die Tänzerin von Darkover - 9
Alamena traf. Als er hörte, wie sehr sie gelitten hatte, erkannte er, daß er außer dem Namen nichts von seiner Mutter wußte. Warum sie eine Freie Amazone geworden war, konnte er nur vermuten, und solche Vermutungen waren keineswegs erfreulich.
Sie hatten das Gildenhaus erreicht und standen nun unentschlossen vor der Tür. Da wären wir also. Jetzt werde ich alles erfahren. Stelen versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Erst als Copal ungeduldig zu zappeln begann, klopfte er an die Tür, die sich sofort öffnete.
»Ich habe mich schon gefragt, ob Sie noch anklopfen würden oder nur den neuen Farbanstrich bewundern, den Kyella gestern aufgetragen hat.« Die dunkeläugige Amazone mit den kurz geschorenen schwarzen Haaren, die ihnen die Tür aufhielt, reichte Stelen nur bis zur Schulter. Die Frau wirkte zwar durchaus freundlich, aber mehr würde er von selbst nicht aus ihr herausbekommen. Stelen mußte schon selber die Initiative ergreifen.
Es wird einem nicht gerade leicht gemacht. Dennoch bewunderte er ihr Verhalten, denn sie brachte ihn dazu, daß er aus sich selbst heraus die Kraft fand zu fragen: »Kann ich bitte Magen n’ha Ramilys sprechen?« Jetzt gibt es kein Zurück mehr!
»Wen soll ich melden?«
Soll ich den Namen nennen? Und welchen Nachnamen? Den meines Vaters oder ihren?
»Ihren Sohn und ihren Enkel. Sagen Sie ihr, ihr Sohn ist hier.«
Die Frau starrte die beiden einen Augenblick lang an. »Ich werde ihr mitteilen, daß Sie gekommen sind. Ich hatte schon meine Zweifel, ob Sie überhaupt noch einmal auftauchen würden.
Besonders als Magen krank wurde.« Sie musterte ihn erneut eindringlich. »Es freut mich, daß Sie meine Zweifel widerlegen.«
Während Stelen noch über ihre Worte nachdachte, verschwand sie kurz und kehrte bald darauf mit einer älteren Frau zurück. Eine Stola schützte sie gegen die abendliche Frische. Sie war um so vieles älter geworden, und doch noch immer dieselbe Frau, die er aus der Erinnerung kannte. Stelen stand regungslos im Türrahmen.
»Komm her«, flüsterte sie ihm zu. »Komm zu deiner Mutter.«
Und Stelen ging auf sie zu, begleitet von seinem Sohn.
PATRICIA CIRONE
Die Gabe
Patricia Cirone meint: »Es macht mir immer viel Spaß, Ihre Einleitungen zu lesen. Es ist schon komisch, aber früher, als ich noch nicht selber schrieb, habe ich mich nie um dieses ›Zeug‹ gekümmert. Aber jetzt lese ich es immer zuerst.«
Womit wieder einmal bewiesen wäre, daß es nur auf den richtigen Blickwinkel ankommt. Ich wurde einmal gefragt, ob ich beim Herausgeben eher an die Autoren oder an die Leser denke. (Als ob sich das gegenseitig ausschließen würde.) Meine Antwort lautete natürlich: »An beide.« Denn ohne Autoren hätten die Leser nichts zu lesen; aber ohne Leser würden wir Autoren Selbstgespräche führen – wie der Prediger in der Wüste. Beide sind also gleichermaßen wichtig.
Pat Cirone hat bereits früher zu diesen Anthologien beigetragen, und sie meint, daß sich seitdem in ihrem Leben nichts Nennenswertes verändert habe. »Falls das nicht ausreicht, können Sie ja einfach etwas dazudichten.«
Genau deshalb bitte ich meine Autoren immer darum, ihre Biographien auf den neuesten Stand zu bringen; andernfalls werde ich nämlich tatsächlich etwas dazudichten, und das braucht nicht unbedingt im Sinne des Betreffenden zu sein. Das machen schließlich alle so, auch wenn die meisten nicht so ehrlich sind, es zuzugeben, und es lieber »Recherche«
nennen.
Der Regen peitschte gegen die massiven Mauern der Halle. Irina hielt ihre Hand schützend über die Flamme der Kerze, mit der sie die Lichter im Haus anzündete, um zu verhindern, daß ein plötzlicher Luftstoß sie ausblies. Im Zimmer hinter ihr wurde die schwere Tür, die von der Halle ins Freie führte, aufgestoßen und schnell wieder geschlossen. Der gesamte Clan versammelte sich.
Clan? Nein, das war nicht das passende Wort, dachte Irina. Denn innerhalb von fünf Generationen hatten sich die Familien, die hier an der Küste im Schutze der sie umgebenden Klippen siedelten, eher zu einem Dorf als zu einer großen Familie entwickelt. Aber heute abend würden alle erscheinen, um von ihrem verstorbenen Vater Abschied zu nehmen.
Irina unterbrach das Anzünden der Kerzen und kämpfte mit den Tränen, als sie auf die Bahre in der Mitte des Zimmers blickte. Es war so schwer zu fassen, daß er nun tot sein sollte; er war immer so groß und stark und so voller Leben gewesen. Dann aber, vor zwei Tagen beim
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