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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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geheiratet, sehr,
sehr gern. Noch mal Kinder gehabt, eine neue Familie
gegründet. Aber es ist nicht so einfach, einen Menschen zu
finden, der zu einem paßt. Der die gleichen Ideale hat, die
gleiche Lebensvorstellung. Leider wirst du das auch feststellen.
Du bist ja nun ebenfalls allein, und irgendwann wirst auch du
vielleicht wieder die Augen offen halten für einen Mann, der
neuer Partner werden könnte. Es ist nicht leicht. Sehr viele
Versuche enden in einer Enttäuschung.«
»Aber sicher nicht alle«, erwiderte sie und bezog dies eher
auf ihn als auf sich, denn sie konnte sich im Augenblick nicht
im entferntesten vorstellen, jemals wieder das Bedürfnis nach
einer Beziehung zu haben. »Irgendwann ist ein Glückstreffer
dabei. Da bin ich ganz sicher.«
»Man soll die Hoffnung nicht aufgeben«, sagte er
ausweichend. Und übergangslos fügte er hinzu: »Weshalb holst
du eigentlich nicht deine kleine Tochter hierher?«
Sie sah ihn verblüfft an. »Weshalb sollte ich? Ich weiß doch
gar nicht, wie lange ich hier bleiben muß. Außerdem gibt es
wahrscheinlich noch Polizeitermine, und dann muß ich
zusehen, das Haus zu verkaufen. Sie ist bei meiner Mutter viel
besser aufgehoben.«
»Ich konnte mich immer kaum trennen von meinen
Kindern«, sagte Christopher, »deshalb fragte ich dich. Ich
wollte immer am liebsten die ganze Familie um mich haben.«
»Eine Familie habe ich eigentlich nicht mehr«, sagte Laura,
»es gibt nur noch Sophie und mich. Irgendwie müssen wir uns
nun durchschlagen.«
Christopher erwiderte nichts, und eine ganze Weile blickten
sie nur in die prasselnden Flammen.
Nur noch Sophie und ich, dachte Laura, das ist alles, was
von meiner Traumfamilie übriggeblieben ist. Eigentlich dachte
ich immer, Peter und ich sitzen als alte Leute noch Hand in
Hand unter einem blühenden Apfelbaum im Garten und
schauen unserer Enkelschar beim Spielen zu. Ich wollte noch
mindestens zwei Kinder, und ...
Sie unterbrach ihre eigenen Gedanken, verbot sich, tiefer in
jene alten Träume einzutauchen. Außer Schmerz konnte ihr das
nichts bringen.
»Ich glaube«, sagte sie leise, »daß ich allein sein möchte.«
Christopher nickte. »In Ordnung. Das kann ich verstehen.«
Er stellte sein Glas zur Seite. »Dann sehen wir uns auch
morgen nicht?«
»Das hat nichts mit dir zu tun. Ich brauche ein bißchen Zeit
ganz für mich. Mein Leben ist zusammengebrochen. Ich muß
mich erst wieder zurechtfinden.«
Er stand auf, und in dem Blick, den er ihr zuwarf, lagen
Wärme und eine leise Besorgnis. »Du rufst mich an, wenn es
dir schlecht geht?« vergewisserte er sich. »Oder wenn du
irgendeine Art von Hilfe brauchst? Ich bin für dich da.«
»Ich weiß. Danke, Christopher.«
Er verschwand durch die Verandatür, zog die Glasscheibe
hinter sich zu. Als er die Auffahrt hinunterging, sprang der
Bewegungsmelder an. Vorhin hatte er das nicht getan. Oder
war es ihr nur entgangen?
Sie war zu müde, darüber nachzudenken.
Sie hatte plötzlich heftige Sehnsucht nach Sophie.
Sonntag, 14. Oktober
1
    Zum erstenmal seit vielen Tagen aß er zum Frühstück wieder
ein Honig-Baguette. Es hatte ihn nicht verwundert, daß er in
der letzten Woche keinen Appetit darauf gehabt hatte, aber es
wunderte ihn jetzt, daß er plötzlich wieder Lust auf sein
Lieblingsfrühstück verspürte. Seit seiner Jugend hatte ihm dies
jeden Morgen das Aufstehen versüßt: Der Gedanke an zwei
Tassen sehr starken, sehr heißen Kaffee und ein Baguette mit
Butter und Honig.
    Offensichtlich kehrte nach den traumatischen, lähmenden
Tagen ein Stück Alltag zurück.
Woher jene erste, kaum merkliche optimistische Regung
kam, war Henri schleierhaft, doch war sie unzweifelhaft
vorhanden. Vielleicht hing sie damit zusammen, daß er
allmählich realisiert hatte, daß der Nebenbuhler tot war. Er lag
im Kühlraum des gerichtsmedizinischen Instituts von Toulon
und würde sich nie wieder in sein oder Nadines oder ihrer
beider Leben einmischen können. Nadine mochte noch eine
Weile trauern, aber sie war nicht die Frau, die ein Leben lang
hinter einem Toten herweinte und sich im Kummer um eine
zerstörte Liebe verzehrte. Henri war ohnehin überzeugt, daß
Nadine Peter nicht geliebt hatte. Nach seiner Ansicht konnte
sie überhaupt nicht lieben, was natürlich die Gewißheit
beinhaltete, daß sie auch für ihn selbst dieses Gefühl nicht
aufgebracht hatte. Doch damit hatte er sich abgefunden. Wenn
sie nur bei ihm blieb. Irgendwann, wenn

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