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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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irgendwo ein neues Leben hatte beginnen
wollen? Aber woher sollte er das wissen? Laura hatte keine
Ahnung, sonst wäre sie längst hier aufgetaucht und hätte
Nadine zur Rede gestellt, davon war er überzeugt. Hatten sie in
seinem Auto etwas gefunden, was auf die geplante
gemeinsame Flucht hindeutete, Briefe oder etwas Ähnliches?
Er beschloß, bei seinem eingeschlagenen Weg zu bleiben: Er
hatte von nichts eine Ahnung.
»Nein«, sagte er, »er erwähnte nichts. Aber, wie gesagt, sehr
viel mehr als Hallo und Wie geht’s haben wir ohnehin nicht
ausgetauscht. Ich war ja nur am Rennen.«
Sie fragten ihn nach den Namen der anderen Gäste, aber er
bedauerte, ihnen nicht helfen zu können, niemand sei ihm
bekannt gewesen.
»In der Saison sind hier häufig Leute, die ich seit Jahren
kenne. Aber diese verstreuten Grüppchen in der Nachsaison ...
nein, mir war niemand bekannt an diesem Abend. Außer eben
Peter Simon.«
»Hat sich Monsieur Simon mit jemandem unterhalten?«
»Nein.«
»Madame Simon sagt, Sie hätten eine Aktentasche erwähnt,
die er mit sich führte. Diese ist Ihnen aufgefallen?«
»Ja, weil er noch nie mit einer Aktentasche hier
hereingekommen ist. Aber auch darüber habe ich nicht länger
nachgedacht. Ich war, wie gesagt, viel zu beschäftigt, in dem
Chaos hier meine Nase über Wasser zu halten.«
»Als Monsieur Simon ging, ist ihm da jemand gefolgt? Ich
meine, hat jemand direkt nach ihm das Restaurant verlassen?«
»Nicht daß ich wüßte. Aber ich war auch in der Küche
beschäftigt. Ich hätte es vielleicht nicht bemerkt.«
»Man hätte Sie zum Kassieren rufen müssen.«
»Manche zahlen auch und trinken dann noch in Ruhe ihren
Wein zu Ende, ehe sie gehen. Das besagt nicht unbedingt
etwas, aber mir ist zumindest niemand aufgefallen.«
Bertin hatte sich vorgebeugt und Henri sehr eindringlich
gemustert. »Was wissen Sie über Peter Simon? Ich meine, wie
weit ging diese Freundschaft? Wieviel vertraute man einander
an, was erzählte man einander von Sorgen und Problemen,
vom Alltag, von Kummer und Freuden? War es wirklich Freundschaft oder eher eine Bekanntschaft? «
Der Nerv in seiner Schläfe mochte sich nicht beruhigen. Das
Zucken kam ihm inzwischen so stark vor, daß Bertin und
Duchemin es sicher bemerkten. Aber er durfte sich davon nicht
durcheinanderbringen lassen. Er mußte ruhig und gelassen
antworten.
»Wir sahen uns ja nicht allzuoft«, sagte er. »Die Simons
kamen Ostern hierher und im Sommer. Manchmal über die
Jahreswende, aber das war nur ... ich glaube, zweimal der Fall.
Im Oktober kam Peter zum Segeln, da sah ich ihn manchmal
gar nicht. Ich denke nicht, daß wir allzuviel voneinander
wußten. Sie aßen oft hier, aber da mußten Nadine und ich ja
arbeiten, also gab es auch dabei keine langen Gespräche.
Nein«, er war in der Lage, Bertin einen einigermaßen festen
Blick zuzuwerfen, »vermutlich sollte man es doch eher eine Bekanntschaft nennen.«
»Wußten Sie, daß Peter Simon existenzbedrohende
finanzielle Schwierigkeiten hatte?«
»Nein.« Er war ehrlich überrascht. Davon hatte er nie etwas
mitbekommen. »Das wußte ich nicht.«
»Wir haben über das Wochenende von den Kollegen in
Deutschland seine wirtschaftliche Situation prüfen lassen. Die
Witwe sitzt auf einem Schuldenberg, und man kann nur hoffen,
daß er eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen hatte.«
»Keiner von beiden hat das je erwähnt.«
»Hm«, machte der Kommissar. Er nahm einen Schluck
Kaffee, ehe er fortfuhr: »Wie sah denn diese Bekanntschaft
zwischen Ihnen und den Simons genau aus? Sie waren zwei
Paare. Meist verteilen sich in derlei Konstellationen die
freundschaftlichen Gefühle nicht völlig gleichmäßig. Es sind
manchmal eher die Männer, die gut miteinander können,
während die Frauen einander gar nicht so mögen. Oder
umgekehrt. Oder die Frau des einen ist mit dem Mann der
anderen enger verbunden ... es gibt da mehrere Möglichkeiten.
Wie würden Sie das in Ihrem Fall definieren?«
Ob er doch etwas ahnte? Wie sollte man diese Frage anders
interpretieren? Der Nerv zuckte nicht nur, er begann jetzt auch
zu schmerzen. Sehnsüchtig dachte Henri daran, wie anders
dieser frühe Morgen für ihn hätte aussehen können. Zeitung
lesen, Kaffee trinken, ein Honig-Baguette essen ... Er spürte
plötzlich ein geradezu kindisches Verlangen nach seinem
Honig-Baguette. Als sei darin all der Trost enthalten, den seine
wunde Seele brauchte.
Er fragte sich, weshalb er sich wie

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