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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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    Natürlich war es Christopher. »Guten Morgen, Laura. Ich
hoffe, ich rufe nicht zu früh an?«
Sie lachte unecht. »Aber nein. Ich bin ein Frühaufsteher, wie
du weißt.«
Gleich darauf dachte sie: Wie blöd von mir, woher soll er
das wissen?
»Leider«, sagte er auch prompt, »wußte ich das bisher nicht.
Es gibt vieles an dir und deinem Leben, das ich noch entdecken
muß.«
Sie begann zu frösteln. Entweder redeten sie aneinander
vorbei, oder sie hatte ihm während der letzten Tage ein Signal
gegeben, das er mißverstanden hatte. Allerdings fiel ihr nichts
dergleichen ein. Oder hatte er seine Bemerkung ganz harmlos
gemeint, und sie interpretierte etwas hinein, woran er gar nicht
gedacht hatte?
»Hat dir der gestrige Abend etwas gebracht?« fuhr er fort.
»Ich habe mir nämlich Sorgen gemacht. Manche Menschen
werden richtig depressiv über all diesem Grübeln. Mir selbst
ging es so, nachdem Carolin mich verlassen hatte. Ich bin in
Gedanken noch einmal durch jedes Gespräch gegangen, das
wir je geführt hatten, ständig habe ich überlegt, worin meine
Fehler bestanden hatten, was ich hätte tun können, um sie zu
vermeiden. Irgendwann war ich völlig durcheinander und
verzweifelt. Ich brauchte Monate, um aus dem
Gedankenkarussell in meinem Kopf aussteigen zu können.«
»Glaubst du, man kann süchtig danach werden?« fragte sie.
Sie fand dies einen interessanten Aspekt des Problems.
»Ich glaube, ja. Zumindest verselbständigt sich das Grübeln
und wird zum Selbstzweck. Die Maschine springt an, wenn du
morgens die Augen aufschlägst, und sie unterbricht ihre
Tätigkeit erst wieder, wenn du einschläfst. Du grübelst
zwanghaft und ohne noch irgendeinen Nutzen davon zu haben.
Ich denke, dabei kann man schon von Suchtcharakter
sprechen.«
»Aber davon bin ich noch weit entfernt. Ich bin gerade erst
Witwe geworden. Ich habe gerade erst erfahren, daß mein
Mann mich betrogen hat. Ich muß das verarbeiten, und ich
kann das nicht, indem ich es verdränge.«
»Natürlich«, sagte er sanft, »ich meinte auch nicht, daß du es
verdrängen sollst. Ich wollte dir nur raten, dich nicht völlig
dem Grübeln auszuliefern. Sondern dazwischen auch noch den
Rest der Welt und andere Menschen zu sehen. Grenz dich nicht
ab von allem und jedem.«
Seine Stimme klang warm und ruhig, und Laura merkte, wie
sich das aggressive Gefühl, das sich bei ihr in den letzten
Tagen ihm gegenüber eingestellt hatte, in Luft auflöste. Er war
verständnisvoll, hilfsbereit und fürsorglich. Er wollte sie nicht
einfach sich selbst überlassen, sondern ihr helfen und für sie da
sein. Eigentlich tat er nur das, was man von einem Freund in
einer Situation wie der ihren erwartete.
»Komm doch heute abend zu mir«, schlug sie spontan vor,
»diesmal werde ich für dich kochen – so wie du es dir neulich
gewünscht hast. Um acht Uhr?«
»Gern«, sagte er feierlich, und als sie aufgelegt hatte, dachte
sie, daß sie es schön fand, nicht schon wieder einen Abend lang
allein zu sein.
Über die Auskunft erfragte sie die Telefonnummer von
Monique Lafond und rief dann bei ihr an, aber es meldete sich
nur der Anrufbeantworter. Wiederum bat sie die Fremde, sich
mit ihr in Verbindung zu setzen, obwohl ihr seit dem gestrigen
Abend Zweifel gekommen waren, ob sie diese Spur wirklich
verfolgen wollte. Spielte es eine Rolle, welcher Art die
Beziehung zwischen ihrem Mann und der mysteriösen Camille
Raymond gewesen war? War es wichtig, ob er sie mit einer
Frau oder mit zwei oder drei Frauen betrogen hatte? Die
Antwort war, daß es die Affäre mit Nadine relativieren würde.
Sie würde herausfinden, ob Nadine seine große Liebe gewesen
war oder lediglich eine Bettgefährtin unter vielen. Dies zu
wissen würde es ihr erleichtern, mit der Gewißheit zu leben,
hintergangen worden zu sein.
Sie schrieb die Worte M. Lafond auf den Zettel mit der
Telefonnummer und legte ihn neben den Apparat. Sie würde es
am Abend noch einmal versuchen.
4
    Irgendwann war Monique endlich eingedöst, aber als sie aus
dem unruhigen Schlaf erwachte, hatte sie nicht den Eindruck,
daß ihr ein langes Wegtauchen vergönnt gewesen war. Es kam
ihr vor, als seien es nur Minuten gewesen, allerdings sprachen
die steifen, schmerzenden Knochen ihres Körpers dafür, daß
sie doch eine ganze Weile auf dem kalten, harten
Zementfußboden ihres Verlieses gelegen hatte.
    Für Sekunden glaubte sie, einen Alptraum gehabt zu

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