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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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freiwillig nicht gewährt hätte.
    »Verschwinde«, sagte sie, »tu so etwas nie wieder. Es gibt
keine Zukunft für uns. Ich habe dir das heute mittag gesagt,
und seitdem hat sich nichts geändert.«
    Er bewegte sich langsam auf die Treppe zu. Er hinkte stark.
»Es gibt keine Zukunft für dich, Laura«, sagte er, »leider. Es
tut mir wirklich sehr leid.«
    Da hatte sie zum erstenmal seinen Wahnsinn erkannt. Nicht
allein in seinen Worten, sondern in seiner Stimme.
Sie war einen Schritt zurückgewichen.
»Komm nicht hier herauf«, sagte sie.
Er stand nun am Fuß der Treppe.
»Doch«, erklärte er, »genau das tue ich. Ich komme jetzt
herauf.«
Sie war ins Schlafzimmer geflüchtet, hatte die Tür
zugeschlagen, den Schlüssel herumgedreht. Sie wußte, daß sie
damit nur wenig Zeit gewann. Die Tür aufzubrechen würde
ihm kaum Schwierigkeiten bereiten. Und sie hatte kein Telefon
hier drin. Das Fenster lag zu hoch. Bei einem Sprung hinunter
würde sie sich ein Bein brechen.
»Mach auf«, sagte er von draußen. Er hatte überraschend
lange für die Treppe gebraucht. Sie schloß daraus, daß ihm sein
verletzter Fuß wirklich schwer zu schaffen machte und daß sie,
sollte sich eine Gelegenheit zum Weglaufen ergeben,
wahrscheinlich schneller wäre als er. Ein Vorteil, der ihr in
ihrer augenblicklichen Situation jedoch nichts nutzte.
»Laura, ich werde dich töten, und das weißt du«, sagte er.
»Wenn es nicht jetzt passiert, dann in zehn Minuten oder in
einer halben Stunde, je nachdem, wie ich mich entscheide.
Aber es wird passieren. Du könntest uns beiden einen Kampf
ersparen.«
Sie lehnte an der Wand und wünschte verzweifelt,
aufzuwachen und zu wissen, daß sie einen schrecklichen
Alptraum gehabt hatte, der jedoch nicht das mindeste mit der
Wirklichkeit zu tun hatte.
Lieber Gott, dachte sie, was soll ich denn nur machen? Was
soll ich nur machen?
In ihrer Panik lief sie nun doch zum Fenster, öffnete es,
schrie um Hilfe und wußte dabei, daß niemand sie hören
konnte. Die Häuser lagen hier viel zu weit auseinander,
getrennt von riesigen, parkähnlichen Gärten, und der Wind
zerstückelte ihre Worte und Laute. Sie blickte hinunter. Der
Regen schlug ihr ins Gesicht. Tief unter ihr lag schwarz und
schweigend der Garten. Der Hang, an dem sich das Grundstück
befand, fiel an dieser Stelle besonders steil ab.
Er hatte gehört, daß sie das Fenster öffnete.
»Tu es nicht«, sagte er fast gelangweilt, »du brichst dir mit
Sicherheit ein paar Knochen. Ich habe ein leichtes Spiel dann
mit dir da draußen, aber für dich wird alles noch schlimmer.«
Sie schaute nach oben. Die Frage war, ob es ihr gelingen
könnte, vom Fensterbrett aus das Dach zu erklimmen. Mit
seinem verletzten Fuß wäre es sicher äußerst schwierig für ihn,
hinterherzuklettern. Außerdem konnte sie ihn von oben daran
hindern, überhaupt nur die Hände an die Dachziegel zu legen.
Aber ich komme selbst nicht hoch, dachte sie verzweifelt.
Das Dach war naß und glitschig, ebenso das Fensterbrett.
Und es hätte bedeutet, einen Klimmzug zu machen, mit dem
sie ihr gesamtes Gewicht hinaufhievte und sich dann
wenigstens bis zur Hüfte über das Dach hinausstemmte. Es war
hoffnungslos. Sie wußte, daß sie das nicht schaffen konnte.
Ihre einzige, winzige Chance bestand darin, daß Nadine
etwas unternehmen würde. Falls sie überhaupt begriffen hatte. Ich verstehe dich schlecht, hatte sie gesagt, und: Kannst du
nicht lauter sprechen? Und sie hatte sie gefragt, ob sie
betrunken sei. Falls sie zu diesem Schluß gelangte, würde sie
gar nichts tun. Und auch sonst: Rief jemand wegen eines so
ominösen Anrufs gleich die Polizei? Vielleicht schickte sie
Henri hierher. Oder besprach sich mit Kommissar Bertin. War
Bertin um diese Zeit zu erreichen?
»Jetzt öffne schon die Tür«, sagte Christoph von draußen.
Hinhalten, dachte sie, ich muß ihn hinhalten. Vielleicht
kommt doch jemand. Ich habe ja keine andere Möglichkeit.
Sie war erstaunt, daß ihre Stimme ihr überhaupt gehorchte.
»Hast du Peter getötet?« fragte sie.
»Ja. Es war notwendig geworden. Ich hätte es viel früher tun
müssen.«
»Warum?« Was sie am meisten erschütterte war die
Selbstverständlichkeit, mit der er sprach. Nach seinem Gefühl
hatte er nichts getan, was unrecht gewesen wäre Er hatte etwas
getan, was einfach getan werden mußte.
»Er hat eure Familie zerstört. Er hat ein Verhältnis
begonnen. Aber zumindest hat er all die Jahre noch zu dir

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