Die Taeuschung
willst du dir das noch bieten lassen?« fragte sie
mit heiserer Stimme, und die gespenstische Blässe ihres
Gesichts und das Glühen in ihren Augen verrieten, wie dicht
daran sie war, ihre übliche Selbstbeherrschung völlig zu
verlieren. »Wie lange willst du hier noch stehen und vergeblich
warten, daß diese Schlampe, die du ...«
»Cathérine! Nicht!«
»Du bist so ein gutaussehender Mann! Ein Mann, der mit
Hingabe seinem Beruf nachgeht. Der sein Leben wirklich
teilen will mit einer Frau. Du hättest jede Frau haben können,
warum läßt du dich lächerlich machen von ...«
»Es reicht, Cathérine!«
Sie wich einen Schritt zurück. Ihr häßliches Gesicht
verzerrte sich auf groteske Weise, und sie spuckte die
folgenden Worte förmlich aus.
»Sie ist eine Nutte! Und das weißt du! Sie hat sich
vermutlich durch die ganze Côte gevögelt, bevor sie sich dich
gekrallt hat, weil du ihr geeignet schienst, all ihre
hochfliegenden Pläne in die Tat umzusetzen. Aber das
Schlimme ist, sie hat nicht aufgehört damit. Sie bumst noch
immer jeden, der ihren Weg kreuzt, und ...«
»Du sollst still sein«, sagte er und hoffte, daß sie begriff, wie
mühsam nur noch er sich beherrschte. Er konnte es nicht
ertragen, wie sie Nadine in den Schmutz zog, konnte nicht
ertragen zu sehen und zu hören, wie diese dünnen Lippen, die
nie ein Mann geküßt hatte, nun von Neid und Mißgunst
verzerrt der Rivalin all das zuschrieben, was für sie selbst
unerreichbar war. »Halt den Mund, verdammt noch mal!«
Sie konnte nicht mehr aufhören. Der Haß von Jahren brach
hervor, unaufhaltsam, gerade weil sie ihn allzu mühsam stets
hatte bändigen müssen. Nadine hatte ihr Leben zerstört. Und
war dabei, auch das von Henri zu zerstören.
»Sie ist keine Frau zum Heiraten, Henri, das war der große
Fehler, den du gemacht hast. Sie ist eine Frau für eine Nacht,
und selbst da riskiert es ein Mann, krank zu werden. Sie macht
die Beine breit für jeden Landstreicher, der ...«
Sie brach entsetzt ab und starrte Henri aus schreckgeweiteten
Augen an. Seine Hand war mit solcher Kraft auf ihrer Wange
gelandet, daß es eine weniger korpulente Person als sie ins
Schwanken gebracht hätte. Der Schlag hallte nach in der
Küche, verschmolz mit dem Echo ihrer gezischten Worte und
mit dem leisen Gemurmel und Gläserklirren aus dem
Gastraum.
»O Gott«, sagte Cathérine schließlich, ernüchtert und jäh
wieder in die Welt zurückgekehrt, von der sie wußte, daß sie
ihr derartige Ausbrüche nicht erlaubte, »es tut mir leid.«
Henri hatte den Eindruck, sich ebenfalls entschuldigen zu
müssen, aber er brachte es nicht fertig; zu sehr beherrschte ihn
noch die Empörung über ihre Worte.
»Tu das nie wieder«, sagte er, »rede nie wieder in meiner
Gegenwart schlecht über Nadine. Sie ist meine Frau. Was
zwischen uns ist, geht nur sie und mich etwas an. Du hast
damit nichts zu schaffen.«
Sie nickte demütig, während sich ihre linke Gesichtshälfte
mit einem brennenden Rot färbte; trotz des dicken Make-ups
zeichneten sich die Umrisse seiner Hand ab.
»Kannst du arbeiten?« fragte er, wissend, daß jede andere
Frau ihn jetzt in der Küche hätte stehen lassen und ihm
bedeutet hätte, er solle selber sehen, wie er zurechtkäme;
wissend auch, daß Cathérine bleiben würde, und wenn er sie
getreten hätte. Sie hatte keine Wahl, und die Einsamkeit
schmerzte weit mehr als ein Schlag ins Gesicht.
»Womit soll ich anfangen?« fragte sie.
8
»Wenn ich dich jetzt daran erinnere, daß ich dich immer vor
dem Typen gewarnt habe, nutzt dir das natürlich nichts«,
meinte Anne, »aber du weißt vielleicht noch, daß ich oft gesagt
habe, du erschienest mir als eine sehr unglückliche Frau. Das
war nicht nur dahingeredet. Du warst nicht glücklich mit Peter,
und irgendwann wirst du froh sein, daß jetzt eine andere Frau
mit ihm auskommen muß.«
Laura hatte seit dem Vormittag immer wieder versucht,
Anne zu erreichen, aber es war ihr weder über den Anschluß in
der Wohnung noch über das Handy geglückt. Erst jetzt, am
späten Nachmittag, hatte sich Anne gemeldet und sich
entschuldigt: Sie habe gearbeitet und nicht unterbrechen
wollen.
Sie hatten seit Sonntagvormittag – seit vorgestern, und Laura
schienen es Jahre zu sein – nicht mehr telefoniert. Anne war
überrascht zu hören, daß Laura von Südfrankreich aus anrief.
»Du bist ihm nachgereist! Gott, Laura, kannst du wirklich
keinen Tag ohne
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