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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Bleiben zu
bewegen.
Nun, er hat ja Ersatz, dachte sie, er wird Cathérine anrufen,
und sie wird herbeieilen, so schnell sie nur kann.
Kurz vor sieben versuchte sie Peter auf seinem Handy zu
erreichen, aber nach viermaligem Klingeln schaltete sich der
Anrufbeantworter ein. Sie wußte, daß er es haßte, beim Fahren
zu telefonieren, wahrscheinlich antwortete er deshalb nicht.
Irgendwie war sie trotzdem frustriert. Sie sehnte sich so sehr
nach einem Lebenszeichen, und er mußte doch schon ganz in
ihrer Nähe sein. Aber natürlich, er hatte es wohl mehrfach
versucht am Nachmittag, und sie war nicht erreichbar gewesen.
Vermutlich hielt er jetzt nicht noch einmal an, sondern fuhr
durch. Sie mußte sich in Geduld fassen. Kurz vor dem Ziel, das
wußte sie aus Erfahrung, wurde einem die Zeit immer lang.
Trotzdem versuchte sie es um acht noch einmal, und dann
wieder um halb neun. Sie fror jetzt heftig, und obwohl es
inzwischen in Strömen regnete, stieg sie aus und lief an den
Kofferraum, um einen dicken Wollpullover aus ihrem Gepäck
zu kramen. Sie war ziemlich naß, als sie wieder auf den
Fahrersitz rutschte. Sie trug jetzt zwei Pullover und eine Jacke,
aber sie bibberte immer noch. Es irritierte sie zutiefst, daß Peter
weder anrief noch sich auf ihre Anrufe hin meldete. Er konnte
sich doch denken, daß sie es war. Er hätte zumindest bei der
nächsten Gelegenheit auf einen Rastplatz fahren und sie
zurückrufen können.
Vielleicht meint er, es ist Laura, dachte sie, und die will er in
dieser Situation keinesfalls sprechen. Verdammt, aber er
könnte mich anrufen! Warum tut er das nicht?
Zum tausendsten Mal an diesem Abend betätigte sie die
Scheibenwischer. Pechschwarze Dunkelheit herrschte draußen,
von keinem Lichtstrahl erhellt.
Vielleicht ist sein Handy-Akku leer. So etwas passiert immer
im ungünstigsten Moment. Und er kommt beim Fahren
langsamer voran, als er dachte. Der Regen macht ihm zu
schaffen, dazu die Dunkelheit. Es ist ziemlich gräßlich, jetzt zu
fahren. Er fährt ohnehin nicht gerne ...
Um kurz nach neun Uhr tauchten endlich Scheinwerfer auf.
Ein Wagen kam über die Brücke. Sie ließ die Scheibenwischer
laufen und spähte angestrengt hinaus. Das Licht blendete sie,
das Auto selbst konnte sie nicht erkennen. Sie drückte die
Lichthupe. Der Wagen wurde langsamer.
Endlich, dachte sie, endlich.
Zu ihrer Verwunderung zitterten plötzlich ihre Beine.
Aber dann legte das Auto wieder Tempo zu und rauschte an
ihr vorbei. Im Rückspiegel erkannte sie eine kleine
Klapperkiste mit französischem Kennzeichen. Es war nicht
Peter gewesen. Irgendein Fremder, der nur langsamer
geworden war, weil sie ihn mit ihren plötzlich aufblinkenden
Scheinwerfern irritiert hatte.
Sie sank in sich zusammen. Das nervöse Zittern in ihren
Beinen wollte nicht nachlassen.
Irgendwann war das Auto erfüllt vom Ticken ihrer
Armbanduhr. Sie wunderte sich, daß sie dieses Geräusch nicht
von Anfang an wahrgenommen hatte. Es war quälend laut und
machte das Auto zu einem Gefängnis, aus dem es kein
Entrinnen gab. Es übertönte sogar den Regen, dabei war dieser
noch stärker geworden.
Es wurde zehn Uhr, elf Uhr. Um halb zwölf fiel ihr kaum
mehr eine Erklärung ein. Wenn er sich so sehr verspätete, hätte
er anrufen müssen. Selbst wenn sein Handy nicht funktionierte,
so gab es Raststätten, Tankstellen, von denen aus er hätte
telefonieren können. Zwischen sieben und halb neun hatte er
gesagt. Irgend etwas stimmte da nicht.
Um Mitternacht stieg sie aus und lief ein Stück die Straße
entlang, ungeachtet des heftigen Regens, der sie im
Handumdrehen völlig durchweichte. Sie hielt das Dröhnen der
Uhr und die nun schon Stunden andauernde
Bewegungslosigkeit nicht mehr aus. Ihre Gedanken
überschlugen sich. Sie hegte den furchtbaren Verdacht, daß
Peter von daheim in Deutschland gar nicht losgefahren war.
Die ganze Zeit über war sie die Angst nicht losgeworden,
daß er im letzten Moment kneifen würde. Nach einer langen
Zeit der Zurückhaltung war sie es schließlich gewesen, die zu
dem gemeinsamen Ausbruch aus ihrer beider Leben gedrängt
hatte, nicht er. Es hatte Kämpfe um Kämpfe gekostet, endlose
Auseinandersetzungen, die ihren Höhepunkt gefunden hatten in
dem schrecklichen Sommerwochenende in Perouges, an dem
schon alles aus zu sein schien, an dem sie beide zornentbrannt
jeder in eine andere Richtung davongefahren waren, überzeugt,
daß die Geschichte nun ausgestanden war. Sie

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