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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hatte schlechte
Karten gehabt, seitdem das Baby dagewesen war, das hatte
Peter, obwohl er kein Kind gewollt hatte, doch zumindest zu
einem halbherzigen Familienvater gemacht, und ihre einzige
Chance war seine sich stetig verschlechternde wirtschaftliche
Lage gewesen. Irgendwo dazwischen bewegte sie sich mit ihrer
Forderung, endlich ein neues, gemeinsames Leben zu
beginnen. Das Pendel schlug einmal nach der einen, dann nach
der anderen Richtung aus. Schließlich war unerwartet am Ende
des Sommers sein Anruf gekommen, am 21. August, nie würde
sie das Datum vergessen: Er hatte sich entschieden. Er bat sie,
mit ihm ins Ausland zu gehen.
Doch zwischen jenem 21. August und diesem 6. Oktober
hatte sie keinen Moment lang die Angst verlassen. Zu sehr
hatte sich Peter gequält. Zu leicht konnte er jetzt wieder
umfallen.
Und nun schien es, als sei er umgefallen. Im letzten Moment.
Er hatte es nicht geschafft, sich loszureißen, hatte abgewogen
und sich dann für seine Familie entschieden. Und war noch
dazu zu feige gewesen, sich bei ihr zu melden. Er hatte sie
stehenlassen auf einem Feldweg, in Dunkelheit und Regen. Er
hatte sie auf eine kalte und rücksichtslose Weise abserviert. Er
hatte es nicht für nötig befunden, ihr eine Erklärung zu geben.
Sie stand in der Gegend herum wie ein ausrangiertes
Möbelstück und wußte nicht, wie ihr Leben weitergehen sollte.
Einen Moment lang war sie versucht, einfach bei ihm
daheim anzurufen, das hatte sie noch nie gemacht, und es hätte
ihn zu dieser Uhrzeit gegenüber seiner Gattin sicher in
Verlegenheit gebracht. Aber gleich darauf überwog wieder das
Gefühl von Leere und Müdigkeit, und sie begriff, daß es ihr
nichts einbringen würde.
Sie ließ das Handy, das sie schon hatte hervorziehen wollen,
wieder in ihre Jackentasche gleiten und ging zum Auto zurück.
Triefend naß setzte sie sich hinter das Steuer. Teilnahmslos
starrte sie in die Finsternis. Es war nach ein Uhr, als sie den
Motor wieder anließ und davonfuhr.
Beim Frühstück am nächsten Morgen hörte sie, daß Peter am
Vorabend im Chez Nadine gewesen war.
»Es muß dich doch erleichtert haben zu hören«, sagte Henri,
»daß er hier war. Er hat dich nicht sitzen lassen. Ihm ist etwas
dazwischen gekommen.«
Sie starrte an ihm vorbei. Die Tür, die ins Freie führte, stand
einen Spalt breit offen, und ein paar herbstliche Blätter, die um
die Ecke lugten, flammten auf im Schein der Sonne.
»Das weiß ich erst seit eben«, sagte sie. Langsam klang
durch ihre Stimme das Entsetzen, das sich ihrer erst nach und
nach bemächtigte. »Er hätte es sich auch hier noch anders
überlegen können. Aber er ist tot, und ... o Gott!« Sie preßte
die Hand auf den Mund, als sei sie erschrocken über ihre
Worte. »Wie konnte das geschehen? Wie konnte das
geschehen?«
Er wartete, bis sie sich wieder gefaßt hatte. »Er wurde
ermordet.« Mit dem Finger tippte er auf die Zeitung.
»Irgendwo in den Bergen.«
Sie blickte wieder auf das Photo. Er sah, wie die
Fingerknöchel an ihren verkrampften Händen weiß wurden.
»Seit wann wußtest du von ihm?« fragte sie.
»Daß es jemanden gibt, habe ich schon seit Jahren vermutet.
Daß er es war, weiß ich erst seit Freitag.«
»Wie hast du das plötzlich herausgefunden?«
»Ich habe gar nichts herausgefunden.« Abgrundtiefe
Resignation erfüllte ihn nun wieder. Bitter fügte er hinzu: »Ich
habe schon lange gar nichts mehr herausfinden wollen.«
Er trank einen Schluck Kaffee, ohne etwas zu schmecken.
»Cathérine hat es mir gesagt.«
»Cathérine? Woher wußte denn die das?«
»Das ist doch gleichgültig, oder? Sie wußte es, und sie hat es
mir gesagt.«
Cathérine. Es wunderte sie nicht einmal besonders. Vom
ersten Moment an hatte sie gewußt, daß sie von dieser Frau
nichts Gutes zu erwarten hatte.
Und dann fiel ihr plötzlich etwas ein, und ihr Herz ging auf
einmal schneller, und Spannung erfaßte ihren Körper. Sie
setzte sich aufrecht hin und starrte Henri an. Ihre Augen
blickten jetzt kalt und klar.
»Seit Freitag wußtest du, daß Peter und ich zusammen sind.
Am Samstag siehst du ihn hier in deinem Lokal. Und gleich
darauf ist er tot. Ermordet.«
Henri sagte nichts. Das Wort ermordet hing im Raum. Ein
ungeheuerlicher Verdacht tat sich dahinter auf. Sie mußte ihn
nicht formulieren, er las ihn in ihren Augen.
»O Gott«, sagte er leise.
Freitag, 12. Oktober
1
    Pauline Matthieu war eine ziemlich phantasielose Frau, und
das mochte ein

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