Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
sein. Jedenfalls warnt die Firma Fassadengrün, die immerhin, wie ihr Name sagt, darauf spezialisiert ist, Häuser hinter Pflanzen verschwinden zu lassen, und von Teilbegrünung über Vollbegrünung bis Hochbegrünung alles anbietet, was fassadenbegrünender und sprachlicher Erfindungsreichtum bieten kann, explizit vor der Beschäftigung mit Spalieren: »Spalierobst hat jahrhundertelange Tradition, erfordert aber Fachkenntnis, viel Pflege und gehört in den Bereich der ›Liebhaberei‹. Wer Zeit investiert und Rückschläge verkraftet, kann sich daran versuchen.« Ich muss sagen, das macht mir die Leute von Fassadengrün sympathisch: Die versuchen nicht, auf Teufel komm raus ein Geschäft zu machen.
Was mit den Rückschlägen gemeint ist, vermag ich im Moment nur zu ahnen. Ich befinde mich noch am Anfang meiner Spalierlaufbahn. Die begann allerdings nicht ohne Schwierigkeiten.
Es gab Komplikationen bei der Gründung der Beete, die man natürlich für jedes Spalierobst braucht. Sie können ihre Pflanze zwar auch im Topf ziehen. Aber davon würde ich abraten. Topfpflanzen sind zu anfällig für Frost und Trockenheit. Besser ist ein Beet. In den meisten Fällen wird es sich am Fuß einer Mauer oder Hauswand befinden. In meinem Fall lagen dort bislang allerdings Terrassenplatten aus Porphyr, die erst einmal entfernt werden wollten, samt Betonfundament, in das sie vor kurzem erst gelegt worden waren. Diese Arbeit verrichtete ich mit Hammer und Meißel. Es ist bereits erwähnt worden, welche Schäden ein Handbeil der Marke Gränsfors am musculus vastus lateralis kurz oberhalb des Knies anrichten kann. Diesmal erfuhr ich von den Konsequenzen, die heftige Schläge mit einem Zimmermannshammer aus dem Baumarkt für den os metacarpale secundum haben, also den zweiten Mittelhandknochen: sehr schmerzhaft, womöglich bleibende Schäden, dringend davon abzuraten.
Ich wollte zwei junge Apfelbäume rechts und links der Terrassentür setzen. Die Idee ist, die Bäume als palmette verrier zunächst in die Höhe zu ziehen und dann in eine palmette cordon überzugehen und über der Tür zusammenzuführen: ein Apfelbaumbogen soll so entstehen, durch den man den Garten betritt. Es versteht sich von selbst, dass das vor allem im Spätsommer und im Herbst eine große Freude sein wird.
Äpfel stehen im Ruf, sich besonders gut für das Spalier zu eignen, weil sie den Beschnitt klaglos ertragen. Ich habe in den Weinbaugebieten Süddeutschlands ganze Hecken gesehen, die aus Spalieräpfeln gezogen waren. Das sieht sehr hübsch aus. Es erfordert natürlich Geduld und Pflege.
Das Spalier selber ist aus gespanntem Draht gefertigt. Man kann Bausätze bestellen, die bereits für die gewünschte Form berechnet sind. Ich habe also zwei mal 25 Meter Drahtseil, 13 Kreuzhalter mit Dübeln, zwei Schraubkreuze und zwölf Endhülsen bestellt. Keine Ahnung, wofür man die Hülsen braucht. Das Ganze wird L-förmig sein, mit einer Höhe von 3,2 und einer Breite von 3 Metern. Es wird sicher keine Kleinigkeit sein, die Bohrlöcher so regelmäßig zu setzen, dass es nachher keine Asymmetrien gibt. Im Bausatz ist das nicht vorgesehen, aber meiner Erfahrung nach empfiehlt es sich, die Seile mit Schraubspannern unter Zug zu setzen, wie man sie auch auf dem Segelboot für die Wanten benutzt.
Dann muss ich nur noch die Bäumchen einflechten und warten. Es handelt sich übrigens um die Sorten ‘James Grieve’ und ‘Rubinette’. ‘Grieve’ ist eine schottische Sorte aus dem neunzehnten Jahrhundert und trägt rotgemusterte, frisch-säuerliche Äpfel, die manchmal stippig sind. Schönes Wort, stippig. Stippen sind kleine braune Punkte auf der Apfelhaut, die auf Kalziummangel hinweisen. ‘Rubinette’ ist eine Freie Abblüte. Auch das ein schönes Wort: Freie Abblüten sind Zufallskinder zweier Sorten, hier aus ‘Golden Delicious’ und ‘Cox Orange’. Mit ihren kleinen Früchten ist ‘Rubinette’ ein ideales Spalierobst. Ich hoffe, dass auch ‘James Grieve’ mich nicht enttäuscht, der einen langsamen Wuchs haben soll. Aber ich habe über diesen Baum noch einen bemerkenswerten Satz gelesen:
»Der Ertrag ist reich und regelmäßig.« Hören Sie genau hin. Das ist ein Satz voll warmer Ruhe, die sich ein bisschen wie Glück anfühlt.
Was meine Hand angeht, war es so, dass die Schmerzen bald nachließen und es nur zu einer leichten Schwellung und einer Verfärbung kam. Ich dachte mir nichts dabei. Das änderte sich allerdings, als nach einigen zehn
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