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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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liegt der Fehler.
    Wenn einer sagt, er macht es, dann heißt das – nichts. Das ist eine der sonderbarsten Erfahrungen, die man machen kann im Leben. Nicht nur im Garten. Erledigen Sie diese Aufgabe? Erreichen Sie dieses Ziel? Können Sie dieses Problem lösen? Liegen Sie im Plan? Verstehen Sie, was Sie tun? Ja. Ja. Ja. Aber dann wird nichts draus, und es geht alles schief und daneben und scheitert. Zweifel und Zögern wären die Wahrheit gewesen und nicht ein schnelles Ja.
    Das ist sehr bedauerlich. Denn am Ende fließt das Wasser ab, und die Wahrheit kommt zum Vorschein. Zum Glück, möchte man sagen. Und Lüge und Selbstüberschätzung und Überheblichkeit zerbrechen am Ende. Dann ist das Vertrauen zerstört und die Zeit verloren. Und das Geld sowieso. Und man muss den ganzen Teich neu anlegen, weil er von Grund auf falsch konstruiert wurde. Es kommt dann die Zeit der Abrechnung, in der man sich, wie es heißt, vor Gericht wiedersieht. Schon klar. Aber das dient eher der Hygiene als der Heilung.
    Es ist sicher eine der interessantesten Fragen im Leben, warum Menschen so sind. Und Gärtner. Warum sie Versprechen machen, die sie nicht halten können, obwohl sie einmal an den gebrochenen Versprechen selber nicht weniger leiden werden als der, dem sie gegeben wurden. Ich muss darüber nachdenken.
    Ich neige zu psychologischen Erklärungsmustern. Auch bei Gärtnern. Mir fällt der Psychiater Delbrück ein, der Ende des 19. Jahrhunderts ein Buch über den pathologischen Lügner und die Pseudologia phantastica geschrieben hat. Der Pseudologist unterscheidet sich vom normalen Lügner. Dieser weiß, dass er lügt. Er ist also berechnend und daher gesund. Der Pseudologist aber wirkt gerade darum so überzeugend, weil er glaubt, was er sagt, ohne deshalb einer wahnhaften Verkennung seiner Umwelt zu verfallen. Der Pseudologist hat gleichsam ein doppeltes Bewusstsein.
    Das wäre vielleicht das Freundlichste, was sich von meinen früheren Gärtnern sagen ließe.

 
Sommer
     

 

 
     
     
     
    Rose ohne Dornen, O Maria, hilf!
    Paderborner Wallfahrtslied MEERSTERN ICH DICH GRÜSSE
     
    Malen konnte ich ja. Aber von Blumen wusste ich gar nichts.
    Also habe ich gelesen und gelesen und gelesen.
    Irene Hoch
     
Unkraut
     
    In einem Lied heißt es: »Maria durch ein’ Dornwald ging / der hat in sieb’n Jahr kein Laub getragen«. In meinem Garten gab es, als ich hierherkam, einen alten Rosenstock, der viele Jahre alt gewesen musste und schon lange keine Blüten mehr getragen hatte. Aus seinem Stamm sprossen eines Tages viele braune Pilze, die hübsch anzusehen waren: Hallimasch. Im Gartenbuch von Granny Jane steht zu dieser Pilzsorte, dass es im Leben eines Gärtners nichts Schlimmeres geben kann als Hallimasch, dass jeder Widerstand zwecklos sei und man am besten seine Sachen packen und anderswo von neuem beginnen sollte.
    Hallimasch ist wirklich ein ganz ansehnlicher Pilz: fest, von appetitlicher honigbrauner Farbe und ansprechendem Äußeren, das seinem schrecklichen Ruf gar nicht gerecht wird. Die Bedrohung, die von ihm ausgeht und die auch Granny Jane meint, heißt auf Deutsch Harzsticken. Ein anderer Name dafür lautet Erdkrebs – damit ist wohl alles gesagt. Es sind weiß Gott nicht nur alte Rosenstöcke, die davon befallen werden, sondern auch gesunde Bäume. Der Stamm schwillt an der Basis an, die Rinde bricht auf, und zum Vorschein kommt das Mycelium des Hallimasch, also das weiße Geflecht, das ja der eigentliche Pilz ist. Was wir gemeinhin für den Pilz halten, das knorpelige Ding mit Mütze, ist nur der Fruchtkörper. Das Weiße auf dem Camembert ist auch ein Mycelium. Pilze sind sonderbare Zwischenwesen, weder Tier noch Pflanze, die darum in der Taxonomie ein ganzes Reich ihr eigen nennen. Es sind keine Pflanzen, weil sie unfähig zur Fotosynthese sind und sich von organischem Material ernähren. Und es sind keine Tiere, weil ihre Zellen anders aufgebaut sind. In dem vollkommen unterschätzten Film SUPER MARIO BROS. gibt es einen riesigen, langsam wachsenden, schwermütigen Pilz, der mit seinem trägen Geflecht die ganze Stadt über- und unterwuchert und damit schweigenden Widerstand gegen den schrecklich bösen King Koopa, alias Dennis Hopper, leistet. Das ist nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt. So ein Hallimasch, wie ich ihn im Garten hatte, ist das derzeit größte bekannte Lebewesen der Welt. Er wächst seit ungefähr 2400 Jahren in irgendeinem Nationalpark im amerikanischen Oregon und erstreckt

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