Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Tagen die Schmerzen zurückkehrten und der Finger nicht mehr richtig zu bewegen war. Von einem befreundeten Handchirurgen weiß ich, dass viele Menschen dazu neigen, Verletzungen an der Hand zu unterschätzen, und zu spät den Arzt aufsuchen. Die vollständige Wiederherstellung aller Funktionen – von Gitarrespielen bis Nasebohren – ist dann oft nicht mehr möglich. Das ist ein sowohl aus hand-chirurgischer wie auch aus hypochondrischer Sicht bedeutsamer Hinweis: Wenn Sie was an der Hand haben, gehen Sie zum Arzt, oder Sie haben ewig Anlass zu Sorgen!
Ich habe also erneut jenen Chirurgen um einen Termin gebeten, der bereits einmal mein Knie und zweimal die Stirn meines Sohnes genäht hat und der seiner Arbeit mit der Ruhe eines Mannes nachgeht, der mehr gesehen hat als Platzwunden und Heimwerkerblessuren. Ich stelle mir vor, dass er Stabsarzt im iranisch-irakischen Krieg war. Mindestens.
Der Professor hat eine Weile an meinem Finger herumgezogen, bis er schließlich die Stelle fand, an der der Schmerz sitzt. Der Schmerz. »The only thing that’s real«, hat der späte Johnny Cash gesungen. Ein Lied von Trent Reznor und seinem Musikprojekt Nine Inch Nails. HURT heißt es, und es lohnt, sich das einmal anzuhören:
»I hurt myself today, to see if I still feel I focus on the pain the only thing that’s real.«
Vielleicht ist der Gärtner in Wahrheit eine Art grüner Schmerzensmann. Die Anstrengung, die Wunden, die Entbehrung, wofür? Welche Trauer soll hier zuwachsen? Welche Hoffnung soll hier grünen? Woran mangelt es im Haus, dass es da draußen unter freiem Himmel gesucht wird? Was ist die Verletzung, dass man sich immer neue zufügt? Bitte, das möge jeder für sich selbst beantworten. Aber erzählen Sie mir nicht, dass Sie einfach gerne Blumen mögen.
Jedenfalls ist die Handchirurgie von Mondbein-Nekrose bis Karpaltunnelsyndrom ein weites Feld – mit dem ich mich glücklicherweise nicht befassen musste. Meiner Hand fehlte nämlich nichts, sagte der Professor nach einem Blick auf das Röntgenbild. Einblutungen im Gelenk. Keine große Sache. Dauert sechs Monate, bis es ganz geheilt ist.
In Anbetracht der ohnehin gedrückten Stimmung hier noch eine traurige Nachricht, die sich auch in einen handwerklichen Zusammenhang bringen lässt und in einen des Scheiterns noch dazu: Ich habe die Zusammenarbeit mit den Gärtnern beendet. Sehr traurig. Nach all den Jahren. Wegen des Teichs. Da muss nämlich alles neu gemacht werden. Von Grund auf.
Ich muss hier einmal innehalten. Das mit den Gärtnern ist ein bedeutsames und einschneidendes Ereignis, für meinen Garten und für mich. Ich will also nicht einfach so im Text fortfahren.
Wir befassen uns im Garten mit den Pflanzen, auf welchem Boden sie leben wollen, wie wir sie ernähren und pflegen und großziehen. Wir befassen uns manchmal auch mit den Tieren, obwohl ich den Tieren im Garten mit einer gewissen Zurückhaltung gegenüberstehe. Aber wir müssen uns auch mit den Menschen befassen. Es geht ohne Menschen nicht.
Wenn man sich nun die Natur der Pflanzen, der Tiere und der Menschen ansieht, leuchtet es schnell ein, dass von diesen dreien die Pflanzen im Umgang die einfachsten sind, die Tiere schon schwieriger – am schwierigsten ist aber der Mensch.
Der Mensch im Garten, um es klar zu sagen, nervt.
Es kann sein, dass wir den Garten lieben, um dem Menschen zu entkommen. Dass wir den Garten schaffen, um Ordnung an die Stelle von Chaos zu setzen, Schönheit an die Stelle von Verkommenheit und Harmonie an die Stelle von Lärm. Es wäre darum sicher am besten, den Menschen den Zutritt zum Garten zu verweigern. Eine Mauer um den Garten zu errichten und die Schwätzer, die Lügner, die Eigennützigen, die Unzuverlässigen, die Aufgeblasenen, die Missgünstigen draußen zu halten. Ein Traum. Nicht zu verwirklichen.
Denn, wie gesagt, es geht nicht ohne den Menschen. Beispielsweise ohne den Gärtner. Keine Chance, alles im Garten allein zu machen. Es ist zu viel. Ich erinnere mich, wie ich mit den Leuten geredet habe: Ich will einen Teich anlegen. Ein Teich, so und so tief, diese und jene Form; verstehen Sie, und den Rand machen wir so, mit Steinen auf der einen und Pflanzen auf der anderen Seite. Damit Natur und Ordnung sich um den Teich herum gegenüberstehen und das Wasser wie ein Drittes dazwischen liegt. Und sie sagen: Ja. Das ist nicht schwierig. Das machen wir. Und ich frage: Sind Sie sicher? Und sie sagen: Ja. Und ich denke: Gut. Doch da
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