Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Pflanze. Wenn man sich einigermaßen an die Pflanzvorschriften hält und das Gießen nicht vergisst – dann ist diese Pflanze praktisch nicht kleinzukriegen. Krankheiten kenne ich bei Geranium gar nicht.
Muss man das Missverständnis mit dem Namen noch ausräumen? Wahrscheinlich schon. Nehmen wir mal THE BLUE GERANIUM, eine Kurzgeschichte von Agatha Christie. Da spricht die Hellseherin eine düstere Prophezeiung aus: »Hüten Sie sich bei Vollmond. Der blaue Flieder ist eine Warnung. Die blaue Malve bedeutet Gefahr. Das blaue Geranium bedeutet den Tod.« Oder soll es heißen: »Die blaue Geranie bedeutet den Tod«? Geranium und Geranie sind nämlich keineswegs das Gleiche. Es ist kaum vorstellbar, dass Agatha Christie das nicht wusste. Aber durchaus vorstellbar ist, dass die deutschen Übersetzer der Geschichte das nicht wussten. Jedenfalls haben sie sich für Geranie entschieden, und das ist wahrscheinlich falsch. Ich kenne gar keine blauen Geranien. Aber eine ganze Reihe von blauen Geraniums.
Was wir Geranie nennen, heißt in Wahrheit Pelargonie. Aber die Übersetzungsprobleme und Namensverwirrungen begleiten diese beiden Pflanzen durch alle Länder und Zeiten. Geranium kommt vom griechischen geranos, Kranich. Das ist die Gattung, die wir Storchschnabel nennen. Pelargonium hingegen stammt vom griechischen pelargos, was wiederum Storch heißt, und dient der Pflanze als Bezeichnung, die wir Geranie nennen. Das kommt dabei raus, wenn Botaniker und Biologen den Storch nicht vom Kranich und das Geranium nicht von der Geranie unterscheiden können. Geranie und Geranium gehören zwar zur gleichen Familie der Geraniaceae, die fünf Arten umfasst, von denen aber nur eine bei uns winterhart ist: das Geranium. Wenn Sie die Pelargonien, die so wundervoll rot in den Balkonkästen Bayerns und Südtirols leuchten, über den Winter draußen lassen, ist es aus und vorbei mit den Pflanzen. Diese deutschgemütlichste aller deutschgemütlichen Pflanzen kommt aus Südafrika und will bitte auch so behandelt werden. Ganz anders das Geranium: Ich habe buchstäblich Dutzende von Sorten in meinem Garten und noch nie, ich schwöre, noch nie ist eine im Winter eingegangen. Großartige Pflanze!
Zuverlässig und treu wie ein lieber Hund, blüht aber schöner.
Das Geranium macrorrhizum, das unter meiner Buche den Geist aufgab, ist der zuverlässigste Bodendecker, den ich kenne. Es ist buchstäblich die einzige Pflanze, die es mit dem Giersch aufnehmen kann, und entwickelt sich dabei selber nie zur Bedrohung. In den Varietäten ‘Bevan’s Variety’ und ‘De Bilt’ blüht es rosa-violett, als ‘Album’ und ‘Spessart’ in zartem Weiß. G. macrorrhizum heißt auch Balkan-Storchschnabel, weil es in den Ländern Südosteuropas reichlich wächst und hier eine besondere Rolle spielt. Zdravets wird es in Bulgarien schlicht genannt, Gesundheit, Stärke. Es gibt in Mazedonien Dörfer, in denen die Frauen am Vorabend des 23. April, dem St. Georgstag, ins Gebirge gehen und Geranium-Blätter sammeln, damit Mensch und Vieh gesund bleiben und Kühe und Schafe Milch geben. Am nächsten Morgen waschen sie sich im Fluss mit Rosen und Geranium-Blättern, und werden so rot wie die Rose und so kräftig wie das Geranium. Anderswo wird das Geranium in Bergen gesammelt, die so weit entfernt sein müssen, dass man das Krähen des Hahnes nicht mehr hört. Die Blätter der Pflanze werden dann zusammen mit einer Handvoll Nüssen unter die Kissen gelegt, auf denen man die Nacht zum St. Georgstag schläft, und am nächsten Morgen wird man dann einen Vogel sehen, so dass die Arbeit des kommenden Sommers wie im Fluge vergehen wird.
G. macrorrhizum duftet stark und klebt ein bisschen. Wenn Sie nicht in einem mazedonischen Dorf leben, sondern sich das Geranium mit dem Auto aus einem Gartenmarkt holen, sollten Sie nachher Polizeikontrollen weiträumig umfahren. Der Geruch ähnelt stark demjenigen von Haschisch – soweit ich mich daran erinnere – und hat etwas geradezu Betörendes. Das liegt an den reichen ätherischen Ölen, über die diese Pflanze verfügt. Damit lässt sich eine Menge anfangen. In Bulgarien wird G. macrorrhizum auf ausgedehnten Feldern angebaut. Aus den frischgrünen, saftigen Blättern wird im Wasserdampf das berühmte Zdravetz-Öl gewonnen. Die Pflanze ist nämlich voll von flavonoiden Phenolen, Tanninen und dem sesquiterpenen Keton Germacron. Tolles Zeug, auf das die Aromatherapeuten schwören. Es wird zum Beispiel als Ersatz oder
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