Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
mit meiner grundlegenden Abneigung gegen bewusstseinsverändernde Drogen zusammen: ich finde die Welt schon im realen Zustand so kompliziert, dass mich die Konfrontation mit rauschhaften Varianten der Wirklichkeit heillos überfordern würde. Man muss einen sehr gefestigten Charakter haben, um der Droge gerecht zu werden, stelle ich mir vor. Und dann habe ich natürlich auch vor etlichen Jahren das Rauchen aufgegeben und werde das wegen ein paar dusseliger Hortensienblüten nicht wieder anfangen.
Der Garten kann, wenn er richtig angelegt ist, überhaupt eine Quelle des Rausches sein.
In der Familie der Nachtschattengewächse zum Beispiel gibt es einige sehr wirksame Pflanzen, die Tollkirsche, die Engelstrompete, das Bilsenkraut und natürlich die Alraune. Diese Pflanzen enthalten alle das Scopolamin, den Wirkstoff, der in alten Agentenfilmen noch als Wahrheitsserum verwendet wird. Ihr Risiko liegt in dem, was der Fachmann die »geringe therapeutische Breite« nennt. Schon eine kleine Überdosierung kann verheerende Folgen haben. Zehn Tollkirschen können einen Menschen töten. Und wenn man den Tee der Engelstrompete trinkt, kann die Wirkung zwei, drei Tage anhalten. Eher etwas für die Fensterbank ist der kleine Kaktus Lophophora williamsii, oder auch Peyote genannt. Im Internet ist er für 5,99 Euro zu bestellen. Man trocknet den Pilz und kaut die Stückchen einfach. Soll scheußlich schmecken, aber das Mescalin geht durch die Mundschleimhaut direkt ins Blut. Erst wird einem übel. Dann kommt der Flash. Das härteste Kraut aber ist der Azteken-Salbei Salvia divinorum. Wenn Sie das mit dem Küchensalbei verwechseln und ihr Saltimbocca damit würzen – dann gute Nacht. Die Pflanze ist voll von dem Wirkstoff Salvinorin A, das stärkste natürlich vorkommende Halluzinogen, das es gibt. Daneben macht sich ein Cannabis-Joint wie eine bessere Tasse Kaffee aus.
In Deutschland unterliegt der Azteken-Salbei seit 2008 den Regeln, die das Betäubungsmittelgesetz für die sogenannten »nicht verkehrsfähigen« Substanzen kennt. Schon der Besitz ist strafbar. Im Nachbarland Österreich dagegen kann man sich das Kraut gefahrlos beschaffen – wenn es einem überhaupt gelingt, an die aus Südamerika stammende Pflanze heranzukommen. S. divinorum vermehrt sich, anders als Cannabis, nicht über Samen, sondern nur über Stecklinge. Die Verbreitung ist also ein bisschen mühevoll. Es soll lange Jahre in ganz Europa nur zwei Mutterpflanzen gegeben haben, aus denen alle hier im Umlauf befindlichen Klone gewonnen worden waren.
Dem durchschnittlichen bürgerlichen Gärtner geht das vermutlich schon alles viel zu weit. Aber vielleicht lässt er sich dazu bewegen, mal einen ganz harmlosen, aber wohlschmeckenden Tee aus einer Hortensie zu bereiten? Die Hydrangea serrata ‘Oamacha’ sieht nämlich nicht nur ganz bezaubernd aus mit ihren- wohlgeformten ausdrucksvollen Blättern von ernstem Grün, über denen nicht zu große Blütenköpfe voller entzückender, blasslilafarbener Blüten stehen. Wirklich eine wundervolle Pflanze, die man schweigend betrachtet. Es ist ein Mittel in diesen Blättern, das den hübschen Namen Dulcin trägt und 250-mal süßer als Zucker sein soll. Wie wird festgestellt, dass etwas 250-mal süßer als Zucker ist? Jedenfalls regnete der wunderbare Nektar dieser Hortensie zur Geburt des Buddha Siddhartha Gautama vom Himmel. Aus den Blättern wird heute Amacha gewonnen, ein süßer Tee, der in Japan zu Kambutsue Matsuri getrunken wird, dem Fest, das am 8. April gefeiert wird, um an die Geburt Buddhas zu erinnern.
Es gibt in Europa keine wildwachsenden Hortensien. Die Pflanze stammt aus Japan. Sie wächst dort auf Hokkaido zwischen Soya und Erimo unter weißen Rosen in den Tälern des Hidaka und des Yubari, auf Honshu zwischen wilden Azaleen an den Hängen von Chokaizan und Iwatesan und entlang der glyzinienbestandenen Höhenzüge, die die beiden kleineren japanischen Inseln Shikoku und Kyushu teilen.
Die Shogune der Tokugawa-Dynastie hatten die Weitsicht, im 17. Jahrhundert die Politik des Sakoku zu beginnen – die Abschließung Japans von der Außenwelt. Es wurden zuerst die christlichen Missionare des Landes verwiesen, und dann auch die Kaufleute. Und dann durfte kein Fremder mehr japanischen Boden betreten. Mit Korea traf man noch ein Abkommen, dass gestrandete Fischer ausgetauscht werden durften. Sakoku wurde sehr ernst genommen: wenn ein Japaner länger als fünf Jahre im Ausland verbracht
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