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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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hatte, nahm man an, dass sich das Fremde unausrottbar in ihm festgesetzt hatte, und es wurde ihm für alle Zeit die Rückkehr verwehrt. Die Japaner hatten mitbekommen, was den Ureinwohnern der pazifischen Inseln widerfahren war, den Indianern Nordamerikas und auch den Völkern Mittel- und Südamerikas: sie alle waren von den Weißen ausgerottet und zerstört worden. Sakoku war die Rettung ihrer Kultur. Und damit auch die Rettung einer unüberschaubaren Vielzahl kostbarer Gartenpflanzen, die in Europa unbekannt waren. Die europäische Gartenkultur schuldet Japan sehr viel.
     
    Europäer wurden überhaupt nur noch auf dem kleinen künstlichen Eiland Deshima im Hafen von Nagasaki geduldet. Dort war die Faktorei der Niederländischen Ostindien-Kompanie das Nadelöhr, durch das alle Waren und Informationen aus der Außenwelt nach Japan kamen und umgekehrt. Im Jahr 1775 kam der schwedische Botaniker Carl Peter Thunberg nach Deshima, der sich als Arzt und Chirurg beworben hatte, aber in Wahrheit die Mission seines Lehrmeisters Carl von Linné erfüllen wollte, die Lehre von der Ordnung und Verwandtschaft der Pflanzen durch Studien in den entlegensten Gegenden der Welt zu festigen und zu bereichern. Er durfte der kaiserlichen Stadt Yedo unter schwerer Bewachung einen kurzen Besuch abstatten. Den Rest der Zeit verbrachte er auf der Insel, kümmerte sich um die Angestellten der Kompanie und studierte die Blumen, die sich in dem Heu fanden, das vom Festland für die Tiere geliefert wurde. Es war im Jahr 1776, dass auf diese Weise das erste Mal ein Europäer eine Hortensie sah und davon Bericht erstattete. Sie kann in keinem guten Zustand gewesen sein.
     
    Die erste lebende Hortensie gelangte im Jahr 1789 von China nach Europa, in die königlichen botanischen Gärten von Kew im Südwesten Londons.
     
    Thunbergs Exemplar existiert noch heute, getrocknet und gefaltet, im Herbarium von Kew. Man hat es inzwischen der Sorte x Hydrangea macrophylla ‘Otaksa’ zugeordnet. Damals aber dachte Thunberg noch, er habe es mit einer neuen Sorte jenes der Hortensie tatsächlich nicht so unähnlichen wunderbaren Blütenstrauchs zu tun, den wir als Schneeball kennen, und nannte sie Viburnum macrophyllum, also den großblättrigen Schneeball.
     
    Vielleicht war es, weil die Hortensie so eine besondere Blume ist, kraftvoll und lebendig, wenn sie blüht, und stolz und anmutig, wenn sie vergeht, vielleicht war es, weil die Hortensie sich in England so heimisch fühlte und wuchs und gedieh und die Engländer ja die Begründer der modernen europäischen Gartenkultur sind – jedenfalls wurde die Hortensie nicht nur bald zum Gegenstand umfangreicher Studien und fachlicher Bemühungen. Sondern auch zum Exempel für die Mühe, die der Mensch mit der Ordnung der Vielfalt der Natur haben kann. Die erste Verwirrung, in der Thunberg sie für einen Schneeball hielt, war nicht die letzte. So eminente Botaniker und Hortikulturologen wie die bayerischen Biologen Siebold und Zuccarini, der Russe Maximowicz, der Engländer Maries, schließlich der große Asienreisende Ernest Henry »Chinese« Wilson stritten viele, viele Jahrzehnte lang um die richtige Klassifizierung und Ordnung und Struktur dieser großartigen neuen Familie der Hortensien, die Thunberg damals im Heu aufgetan hatte. Immer stehen in solchen Kämpfen zwei Fraktionen gegeneinander, die lumpers und die splitters. Wobei die lumpers diejenigen sind, die möglichst viele Arten in einer Spezies zusammenfassen wollen, und die splitters möglichst viele Spezies erhalten wollen und notfalls auch neue schaffen. Aus gärtnerischer Sicht sind die lumpers eine Katastrophe. Sie sorgen unbefangen dafür, dass das eigentlich einfache und überschaubare Zwei-Worte-System, das nur Gattung und Art benennt, erst um eine Subspecies erweitert wird und dann noch um eine Varietät. Hören wir die tiefe Empörung, die aus diesen Zeilen Michael Haworth-Booth’ quillt, der einer der größten Hortensien-Experten war und Autor des ersten westlichen Buches, das sich ausschließlich mit dieser Pflanze befasste, und der als Gartenkundler natürlich zur Fraktion der splitters zählt: »Im Fall einer Art, die von besonderem gärtnerischen Interesse ist, erweist sich das lumping als besonders verheerend. Nehmen Sie die hervorragenden und sehr gartentauglichen Arten Hydrangea villosa, H. robusta und H. sargentiana, die nun nur noch als Unterarten oder Formen der sehr viel weniger gartentauglichen Gattung aspera zu gelten

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