Die Tage des Zweifels: Commissario Montalbano träumt von der Liebe (German Edition)
Yacht doch gar nicht blicken lassen!«
»Stimmt. Und zwar meiner Ansicht nach deshalb nicht, weil etwas Unvorhergesehenes passiert ist.«
»Und was?«
»Die Segelyacht hat mit einem Toten an Bord im Hafen angelegt. Was zur Folge hatte, dass die Polizei auf den Plan trat, die Hafenbehörde, die Gerichtsmedizin, die Spurensicherung … zu viele Leute. Sie zog es vor zu verschwinden. Leuchtet dir das ein?«
»Schon. Bleibt der Umstand, dass wir nicht wissen, was sie eigentlich vorhatte.«
»Und deshalb müssen wir herausfinden, wer mit ihr in Kontakt steht. Jemand von der Hafenmeisterei? Halte ich für unwahrscheinlich. Digiulio ist es auch nicht, da bin ich mir sicher. Ich zähle auf dein Geschick.«
»Soll heißen?«
»Mit den anderen Crewmitgliedern können wir nicht dasselbe Spiel wie mit Digiulio treiben. Du musst eine Möglichkeit finden, an den Maghrebiner ranzukommen. Wie heißt der noch mal …«
»Chaikri.«
»Ja, aber für seine Freunde ist er Zizì. Du musst versuchen, etwas aus ihm rauszukitzeln, mach ihn besoffen … Haben die eigentlich Landgang?«
»Aber klar. Die tun doch nichts anderes, als die Gegend unsicher zu machen.«
»Also dann, setz alles daran, sein Vertrauen zu gewinnen.«
In dem Moment kam Mimì Augello herein, gut gekleidet und mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen.
»Wo kommst du denn her?«
»Wie? Hat Catarella dir nichts gesagt? Ich habe Beba und den Kleinen zu ihren Eltern gebracht. Siehst du nicht, wie erholt ich aussehe? Heute Nacht habe ich endlich wieder einmal himmlisch geschlafen!«
Montalbano musterte ihn schweigend.
»Was ist?«, fragte Augello.
»Mimì, mir fällt da gerade etwas ein.«
»Das ist ja ganz was Neues! Hat’s was mit mir zu tun?«
»Na klar. Könntest du dir vorstellen, mit einer Fünfzigjährigen zu flirten, die aussieht wie vierzig?«
Mimì zögerte keine Sekunde.
»Ich kann’s ja mal versuchen.«
Sechs
Mit dem guten Gefühl, auf der richtigen Spur zu sein, ging Montalbano zu Enzo zum Mittagessen. Er war jetzt fast überzeugt, dass Vanna einen klaren Plan verfolgte, nachdem sie erfahren hatte, dass er Commissario Montalbano war.
Es handelte sich also nicht um einen Scherz, sondern um eine ernste, ja sogar eine sehr ernste Sache.
Und er spürte, auch wenn er es sich nicht erklären konnte, dass er genau das tat, was sie gewollt hätte.
Was allerdings den Toten im Schlauchboot betraf, gab es für ihn keinen Grund, sich auf die Schulter zu klopfen. Er stand immer noch ganz am Anfang.
Die Tatsache, dass der Tote bis jetzt nicht identifiziert war, blockierte die weiteren Ermittlungen. Wer immer ihm das Gesicht zerschmettert hatte, er hatte sein Ziel erreicht.
Wenn er zudem ein Fremder war, machte es wenig Sinn, sämtliche Hotels und Pensionen von Vigàta, Montelusa und Umgebung abzuklappern. Das war mühselig und zeitaufwendig und half nicht über das Hauptproblem hinweg: Wie sollte man jemanden identifizieren, der kein Gesicht und keine Papiere hatte?
Und gesetzt den Fall, er stammte doch von hier, warum hatte ihn dann niemand als vermisst gemeldet?
In der Trattoria empfing ihn endlich eine gute Nachricht: Auf Enzos Speisekarte hatten die Fische wieder Einzug gehalten. Und um sich für den erzwungenen Verzicht vom Vortag zu entschädigen, langte Montalbano beherzt zu. Die Portion gebratene Meerbarben und Tintenfische, die er sich bestellte, war so groß, dass sie für das halbe Kommissariat gereicht hätte.
Danach war ein Verdauungsspaziergang bis zum Leuchtturm auf der Hafenmole unerlässlich. Und auch diesmal absolvierte er die große Runde, die ihn an der Vanna und der Asso di cuori vorbeiführte. Die beiden Yachten lagen immer noch einträchtig nebeneinander vor Anker.
Er hatte sie gerade passiert, als er Gelächter und Stimmen hörte. Im Weitergehen drehte er sich um.
Livia Giovannini, die Yachtbesitzerin, und Kapitän Sperlì verließen genau in diesem Augenblick das Deck der Asso di cuori , während ihnen ein rothaariger, hünenhafter Kerl nachwinkte, der breit wie ein Kleiderschrank und mindestens eins neunzig groß war. Die Yacht war riesig, aber unter Deck musste der Mann todsicher den Kopf einziehen. Jetzt stiegen die Signora und der Kapitän die Gangway zur Vanna hoch.
Montalbano ließ sich auf seinem flachen Felsen nieder, zündete sich eine Zigarette an und begann, über das nachzudenken, was er soeben gesehen hatte.
Was hatten die Besitzerin und der Kapitän der Vanna an Bord der Asso di cuori
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