Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
auszuweichen, indem sie sich weniger verschulden, während niedrige Zinsen zu noch mehr Verschuldung einladen. Auch dieses Anreizargument ist richtig, und es ist das dominante Argument. Italien hatte, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, jede Möglichkeit, seinen Schuldenstand zu reduzieren, als der Euro die italienischen Zinsen drückte, doch Italien verfrühstückte den Zinsvorteil. Und auch die hoch im Ausland verschuldete spanische Wirtschaft hätte jede Möglichkeit gehabt, sich ihrer privaten Auslandsschuld teilweise zu entledigen, weil der Zinsvorteil die Leistungsbilanz direkt verbesserte. Doch auch das geschah nicht. Stattdessen verschuldete man sich für den Kauf von Immobilien immer mehr im Ausland und trieb das Land in die inflationäre Überhitzung.
MARKTVERSAGEN ODER STAATSVERSAGEN?
Wie kam es aber zu der Zinsangleichung, obwohl die Krise nun deutlich zeigt, dass das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Schuldner, das diese Zinsangleichung signalisiert, gar nicht gerechtfertigt war? Auf den ersten Blick würde man ein Marktversagen vermuten. Immerhin waren es ja die Banken selbst, die auf die Zinsaufschläge verzichteten, um so ins Geschäft zu kommen. Das Management einer deutschen Landesbank hätte eben nicht bereit sein sollen, für fünf bis maximal 35 Basispunkte (0,05 bis 0,35 Prozentpunkte) Zinsaufschlag in griechische Staatsanleihen statt in deutsche zu investieren.
Freilich ist das zu kurz gedacht, denn das Verhalten der Banken wurde auch durch einen Regulierungsfehler bei der Bankenaufsicht hervorgerufen, den die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nachträglich dem Basel-Abkommen zur Regulierung der Banken beigefügt hatten. 20 Nach dem Basler Abkommen mussten die Bankenmindestens 4 % ihrer risikogewichteten Aktiva mit teurem Eigenkapital unterlegen. Bei der Berechnung der risikogewichteten Aktiva werden die Anlagen der Bank, also die Kredite, die die Bank ausreicht, je nach dem damit verbundenen Risiko mit Gewichtsfaktoren multipliziert, um so die höheren Kosten des Eigenkapitals letztlich in Proportion zum Risiko in die von den Kunden verlangten Zinsen zu übertragen. Relativ risikobehaftete Anlagen erhielten das Gewicht von 1 und als sicher geltende Anlagen das Gewicht von null. Das ist an sich keine schlechte Idee, nur wurde die Idee dadurch verzerrt, dass die Gewichtsfaktoren zum eigenen Nutzen manipuliert wurden. So setzte man für Kredite an durchschnittliche mittelständische Unternehmen einen Gewichtsfaktor von 0,5 an, für Kredite an andere Banken im Euroraum 0,2 und für alle Staaten des Euroraums gar 0,0. Durch politischen Entscheid wurden die Staaten und Banken im Euroraum allesamt als gleich sicher definiert, obwohl sie es nicht waren. Die Mehrheit der Länder, die sich vor der Einführung des Euro bei den Zinsen diskriminiert sahen, hatte sich in den zuständigen Gremien der EU durchgesetzt, um sich auf diese Weise zu Lasten der mittelständischen Industrie, die nicht zuletzt in Deutschland konzentriert ist, Zugang zu billigen Krediten zu verschaffen.
Die regulatorische Willkür, die hier von der Politik ausgeübt wurde, war ein Grund dafür, dass sich die Banken Europas so bereitwillig untereinander Kredit gaben, ohne das Konkursrisiko hinreichend zu beachten. Sie erklärt, warum sich die Banken mit den Staatspapieren der südlichen Länder vollpumpten. Da die EU-Staaten griechische und deutsche Staats- und Bankenschulden der jeweils gleichen Risikokategorie zuordneten, haben sich die Banken mit fast den gleichen Zinsen begnügt, und das war der Grund für die überbordende Staatsverschuldung in einigen der jetzigen Krisenländer.
Sicher, die Banken hätten bei ihren Ausleihungen immer noch Unterschiede machen können und freiwillig mehr Eigenkapital halten können. Aber das taten sie nicht, weil sie ja wussten, dass sie das Eigenkapital im Fall des Falles verlieren könnten. Die Strategie, mit minimalem Eigenkapital zu arbeiten, ist allen Banken dieser Welt zu eigen. Das ist der Kern ihres Geschäftsmodells. Wenn alles gut geht, schüttet man die Gewinne an die Aktionäre aus, und wenn das Geschäft einmal platzen sollte, dann macht man die Bank eben zu undverliert nur das eingesetzte Eigenkapital, weil man ja privat nicht haften muss. Dieses Grundprinzip des Kasino-Kapitalismus, das seine Ursache im Institut der Haftungsbeschränkung auf das eingesetzte Eigenkapital hat, trug ebenfalls zu dem Geschehen bei. 21
Der Effekt wurde noch verstärkt durch das
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