Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
über die ökonomischen Gesetze.
Das Erfolgsrezept der Marktwirtschaft beruht darauf, dass sich diese natürliche Knappheit in den Budgetbeschränkungen der Menschen selbst widerspiegelt. Ein jeder kann nur über sein Vermögen verfügen, und die Summe aller Vermögenstitel entspricht dem tatsächlich vorhandenen realen Vermögen. Harte Budgetbeschränkungen sorgen dafür, dass die Summe der Ansprüche die Summe der Möglichkeiten nicht übersteigen kann.
Unter dem Euro wurden diese Budgetbeschränkungen lange Zeit nicht mehr beachtet, weil die Kapitalmärkte den peripheren Ländern im Übermaß Kredit zur Verfügung stellten. In den Ländern, die bislang knapp bei Kasse waren, stand auf einmal Geld für alles und für jeden zur Verfügung. Bauprojekte jedweder Art und privater Konsum konnten mit importierten Krediten genauso finanziert werden wie die Gehälter der Staatsbediensteten und gigantische Infrastrukturprojekte. Die Gleichheit der Zinsen, die der Kapitalmarkt herstellte, verschaffte auch jenen Kredit, die die Rückzahlung gar nicht gewährleisten konnten.
Kreditzinsen dürfen aber für Schuldner unterschiedlicher Bonität nicht gleich sein, denn die auf dem Papier vereinbarten Zinsen sind ja nicht die Effektivzinsen, die unter Berücksichtigung des Risikos tatsächlich zu erwarten sind. Nach einer Faustformel der Finanzmärkte rechnet man so, dass der effektive Zins eines Wertpapiers dem vereinbarten Zins abzüglich der jährlichen Konkurswahrscheinlichkeit gleicht, denn so, wie der Zins das eingesetzte Vermögen erhöht, geht der Prozentsatz, der die Konkurswahrscheinlichkeit anzeigt, im Mittel verloren. Nur wenn die so definierten effektiven Zinsen europaweit gleich sind, kann der Kapitalmarkt seine Funktion erfüllen, das knappe, über Generationen gebildete Sparkapital effizient auf alternative Branchen und alternative geografische Gebiete aufzuteilen. Aber das heißt eben, dass sich die auf dem Papier vereinbarten Zinsen invers zur Bonität der Länder ausspreizen müssen.
Wenn sich ein Land im Übermaß verschuldet und die Gläubiger das Vertrauen in die Rückzahlung der gewährten Kredite verlieren, spreizen sich die Zinsen aus, und als Folge der Zinsspreizung wird die Bereitschaft der Kreditnehmer zur weiteren Verschuldung gesenkt. Dadurch wird die Verschuldung in Schach gehalten und eine ausbalancierte Entwicklung Europas erreicht, die nicht zur inflationären Überhitzung, zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit ganzer Länder und zu permanenten Außenhandelsungleichgewichten führt.
Die Gleichheit der effektiven Zinsen, und damit die Unterschiedlichkeit der formell vereinbarten Zinsen, sorgt dafür, dass die realen Investitionsprojekte, die sich in Europa finanzieren lassen, allesamt miteinander verglichen werden können und dass das Sparkapital in die besten Verwendungen fließt. Nur wenn die effektiven Zinsen gleich sind, die vereinbarten Zinsen sich also um die Konkurswahrscheinlichkeiten unterscheiden, ist gewährleistet, dass das Sparkapital so zwischen den Ländern aufgeteilt wird, dass es einen maximalen Beitrag zum Wachstum in Gesamteuropa leistet und damit zum Beispiel auch den maximalen Spielraum für wachstumsmindernde Umweltschutzmaßnahmen schafft.
Dass diese Grundweisheit in der Eurozone ein Jahrzehnt lang nicht beachtet wurde, hat, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, überhaupt erst die Probleme hervorgerufen, unter denen Europa heute leidet. Die Zinsgleichheit war der Grund für die überbordenden Staatsausgaben in einigen Ländern und in noch höherem Maße für die überbordenden privaten Immobilienkäufe in anderen. Sie war der Grund für die inflationäre Überhitzung, die zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führte, und sie hat die riesigen Leistungsbilanzungleichgewichte verursacht, die Christine Lagarde angeprangert hat.
Viele Politiker der Südländer und auch der EU bezweifeln, dass niedrige Zinsen schädlich sind, und kritisieren eher hohe Zinsen.Hohe Zinsen, so argumentieren sie, bedeuten eine höhere Kostenbelastung, die die Finanznöte der Länder mit hohen Schulden nur verstärkt und sie veranlasst, sich noch mehr zu verschulden. Man müsse ihre Zinsen senken, denn dann könnten sie das so eingesparte Geld zur Schuldentilgung verwenden und sich allmählich von ihrem Schuldenberg befreien.
Dieses Argument entbehrt natürlich nicht der Logik. Ihm entgegen steht aber das Anreizargument, dass hohe Zinsen die Schuldner veranlassen, der Last dieser Zinsen
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