Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Gesamtwirtschaft und beim Staat vor und nach Beginn der Krise in einigen der Krisenländer entwickelt haben.
Man sieht, dass es nur in Irland starke Lohnsenkungen gab. Die Löhne (Arbeitnehmerentgelte in der Gesamtwirtschaft) fielen von 2007 bis 2010 um 12 %. Demgegenüber stagnierten sie in Spanien(+ 1 %) und stiegen in Griechenland (+ 5 %) und in Portugal (+ 4 % bis 2009, Daten für 2010 sind noch nicht verfügbar). Interessant ist, dass die Lohnentwicklung im Staatssektor überall expansiver war (gestrichelte Kurven in Abbildung 4.4 ) als in der Gesamtwirtschaft. In Irland war in diesem Zeitraum der Rückgang mit 5 % deutlich kleiner als in der Gesamtwirtschaft, in Spanien (+ 16 %), Griechenland (+ 15 %) und in Portugal (+ 10 % bis 2009) war der Anstieg wesentlich größer als in der Gesamtwirtschaft. Das relativiert die vielen optimistischen Berichte aus den Zeitungen über die gewaltigen Sparanstrengungen der Krisenstaaten doch ein ganzes Stück. Nur in Griechenland ist zumindest seit 2009 eine Absenkung der Löhne der Staatsbediensteten zu verzeichnen. Aber auch diese Absenkung ist längst nicht so groß wie der Anstieg in den beiden Jahren davor, also seit dem Ausbruch der Krise!
Zweitens hat Irland eine Exportindustrie. Der irische Export lag zuletzt bei 106 % des BIP. Er war also höher als die Wirtschaftsleistung, weil die Exporte wie überall einen hohen Importanteil haben. Der spanische Export lag demgegenüber bei 30 %, der portugiesische bei 36 % und der griechische bei 24 % des jeweiligen BIP. Wenn ein Land eine Exportindustrie hat, dann hat es auch eine starke Lobby für den Weg der realen Abwertung. Wenn es vor allem eine starke Importlobby hat, so wie Griechenland, dann ist eine reale Abwertung schwerlich durchzusetzen, weil sie das Importgeschäft schädigt. Wenn die Preise der Inlandsgüter fallen, kaufen die Leute natürlich weniger Importgüter, und den Importeuren geht es schlecht. Dieses Argument hat insofern eine gewisse Bedeutung, als der damalige griechische Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis im Februar 2012 in der FAZ geklagt hatte, dass die vielen EU-Subventionen die eigene Exportindustrie zerstört und die fähigen Unternehmer vom Export- in den Importsektor getrieben hätten. 8
Drittens, und wohl am wichtigsten, kam Irland früher in die Krise als die anderen Krisenländer. Das zeigt sich ganz deutlich an dem frühen Konjunktureinbruch ( Abbildung 2.1 ) und dem früheren und rascheren Absinken der Immobilienpreise ( Abbildung 3.8 ) bereits im Jahr 2007, auch natürlich an dem Sinken der Güterpreise selbst ( Abbildung 4.3 ), das schon im Jahr 2006 begann. Irland stand damals ganz allein. Es gab keine Rettungsschirme der Staatengemeinschaft und keine speziellen Programme der EZB. Das Land musste sich selber helfen und tat es, indem es seine Löhne und Preise kürzte.
Alle anderen Krisenländer kamen ein bis zwei Jahre später gemeinsam in die Krise, praktisch erst mit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank im September 2007. Anstatt den irischen Weg der sozialen Härten zu gehen, zogen sie es vor, sich auf dem Wege über die EZB und die Staatengemeinschaft zu retten, denn dafür hatten sie zusammen mit Irland, das dann auch gerne mitmachte, und Frankreich, das um seine Banken fürchtete, die strukturelle Mehrheit.
ESTLAND UND LETTLAND
Auch Estland und Lettland liefern Beispiele für Anstrengungen von der Art, wie sie Irland gezeigt hat. Estland ist seit 2011 im Eurosystem und Lettland befindet sich im sogenannten EWS-II-System, einer Vorstufe zur Mitgliedschaft im Eurosystem, in dem der Wechselkurs nicht um mehr als + / – 15 % gegenüber dem Euro schwanken darf. Lettland möchte dem Eurosystem so bald wie möglich beitreten.
Wie die anderen ex-kommunistischen Länder hatten beide Länder ihre Löhne und Preise seit 1995 sehr stark erhöht. Estland hat, wie Abbildung 4.2 zeigte, sein Preisniveau bis zum Ausbruch der Eurokrise verdoppelt. Die Preiserhöhungen sind zu einem erheblichen Teil sicherlich ein statistisches Artefakt, weil man die Güter, die man in der Transformationsphase herstellte und die weitgehend mit dem kommunistischen Warensegment identisch waren, nicht gut mit den Gütern vergleichen kann, die heute produziert werden.
Indes waren beide Länder aus ähnlichen Gründen wie die Krisenländer offenbar doch zu teuer geworden und mussten ihren Entwicklungstrend abbrechen. Es gelang zwar nicht, die Preise zu senken. Doch wie Abbildung 4.3
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