Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
unterstellen.
Das Risiko bei den Target-Krediten ist für Deutschland exakt dasselbe, als wenn der neue Rettungsfonds ESM Staatspapiere der Krisenländer kaufen würde. Immer ist Deutschland mit seinem Kapitalanteil beteiligt, der eigentlich 27 % beträgt, aber nach einem Ausscheiden der GIIPSZ-Länder auf 43 % hochschnellt.
Die Target-Kredite waren ein Rettungsschirm vor dem Rettungsschirm. Sie haben grundsätzlich die gleichen Wirkungen auf die zu rettenden Länder und bringen für die Retter exakt die gleichen Risiken mit sich. Der einzige feine Unterschied ist nur, dass sie im Gegensatz zu den offenen Rettungskrediten hinter dem Rücken derÖffentlichkeit vom EZB-Rat gewährt und nicht von den Parlamenten bewilligt wurden.
Noch schlimmer würde es für Deutschland ausgehen, wenn der Euro zerbricht, denn in diesem Fall hat Deutschland eine Target-Forderung gegen ein System, das es nicht mehr gibt. Es kann diese Forderungen dann genauso in den Wind schreiben wie die DDR seinerzeit ihre Transferrubel-Forderungen gegen andere COMECON-Länder, als das Sowjet-System zusammenbrach. Dann liegt der deutsche Target-Verlust auf der Basis der obigen Zahlen im August 2012 nicht bei 416 Milliarden Euro wie beim Austritt der GIIPSZ-Länder, sondern bei 727 Milliarden Euro. Die Rechnungen dazu werden in Kapitel 9 näher erläutert.
Mit den Forderungen aus dem offenen Rettungsschirm ESM wäre Deutschland in diesem Fall noch deutlich besser bedient, denn einerseits wäre es nur mit seinem Kapitalanteil beteiligt und andererseits blieben die Staatspapiere auch dann noch rechtsgültige Forderungstitel, wenn der Euro durch andere Währungen ersetzt werden sollte. Sie sind zwar von einem Schuldenschnitt und einem Abwertungsverlust bedroht, doch nicht vom Ausfall der Rechtsgrundlage.
Für die Bundesbank wäre sowohl der Austritt und Konkurs der GIIPSZ-Länder als auch der Untergang des Euro eine Katastrophe, denn sie verfügt nur über Eigenkapital 14 im Umfang von 134 Milliarden Euro. Zieht man die genannten Verluste ab, so hätte sie bei Austritt und Konkurs der GIIPSZ-Länder ein Eigenkapital von minus 282 Milliarden Euro und beim Zusammenbruch des Euro eines von minus 593 Milliarden Euro.
Dazu hört man manchmal das abwiegelnde Argument, das sei irrelevant, weil sich die Target-Verluste ohnehin alle im virtuellen Bereich bewegten und keine reale Bedeutung hätten. Die Bundesbank könne notfalls auch mit negativem Eigenkapital weiterarbeiten oder man könne sie mit einer unverzinslichen ewigen Ausgleichsforderung gegenüber dem deutschen Staat ausstatten, um ihr wieder Eigenkapital zu verschaffen. Das ist freilich zu schön, um wahr zu sein.
Sicher, man kann die Bundesbank technisch mit solchen Tricks funktionsfähig halten, doch die Forderungen selbst lassen sich so nicht eintreiben. Für die Güter, die Deutschland ins Ausland verkauft hat und für die es bloße Target-Forderungen erhielt, wird es bei einem Konkurs der Krisenländer nie wieder adäquate Gegenwerte in Form anderer Güter zurückerhalten, und das ist kein virtueller Verlust, sondern ein ganz realer, der jeden Bürger betrifft.
DIE UMWIDMUNG DER DEUTSCHEN ERSPARNISSE
Wie erläutert, messen die Target-Forderungen der Bundesbank indirekt auch den Rückgang des Refinanzierungskredits an die Geschäftsbanken und/oder die Zunahme der Kredite, die die Geschäftsbanken an die Bundesbank geben (Einlagefazilität und Termindepositen). Im Umfang von gut 700 Milliarden Euro sind also bis zum Juli 2012 tatsächlich deutsche Ersparnisse, die sonst in fungiblen Anlagen in anderen Euroländern angelegt worden wären, in Forderungen gegen die Bundesbank oder eine Verminderung von Schulden bei der Bundesbank umgewandelt worden. Der so gegenüber einer normalen Entwicklung aufgebaute Bestand an Nettoforderungen gegen die Bundesbank entspricht den Target-Forderungen der Bundesbank gegenüber dem Eurosystem. 15 700 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Dafür hätte man über 230 Transrapidstrecken vom Münchner Flughafen bis zum Hauptbahnhof München zu je 3 Milliarden Euro bauen können, aber selbst eine dieser Strecken hätte ja bekanntlich die Finanzkraft des deutschen Staates überdehnt.
Ohne die Krise hätten die deutschen Banken und Kapitalsammelstellen wie insbesondere auch die Lebensversicherer im Umfang der Target-Salden deutsche Ersparnisse in marktfähige Finanztitel der anderen Euroländer investiert beziehungsweise zu risikogerechten Erträgen verliehen.
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