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Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Titel: Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Sinn
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weiteren steuerfinanzierten Transfers verhindert werden.

DER TARGET-KREDIT LAG IM SCHAUFENSTER
    Die Bezahlung von Zahlungsbilanzdefiziten mit echten, fungiblen Vermögenswerten war in der Geschichte immer der Standard unter den Völkern, und wie wir noch sehen werden (Kapitel 12), ist er noch immer der Standard zwischen den Distrikt-Notenbanken des US-Systems. Auch bei dem bis zum Ersten Weltkrieg gültigen Goldstandard wurden Zahlungsbilanzdefizite stets durch Hergabe von Gold ausgeglichen. Das Land, aus dem das Gold abfloss, war zur Kontraktion mit fallenden Preisen gezwungen. Das erhöhte die Wettbewerbsfähigkeit und ließ Leistungsbilanzüberschüsse entstehen, die für sich genommen halfen, die Zahlungsbilanzdefizite wieder abzubauen. Und umgekehrt kam das Land, dem das Gold zufloss, in die Inflation, wodurch seine Wettbewerbsfähigkeit sank und Leistungsbilanzdefizite entstanden, die seinem Zahlungsbilanzüberschuss entgegenwirkten. Dieser Zusammenhang war in rudimentärer Form schon von dem englischen Ökonomen David Hume im 18. Jahrhundert beschrieben worden.  28
    Auch im Eurosystem würden solche Kontraktions- und Expansionseffekte ausgelöst, wenn die Bundesbank Gold für ihre Target-Forderungen von den anderen Zentralbanken des Euroraums erhielte. Aber das Recht hat sie nicht, und deswegen endet die Vergleichbarkeit mit Gold- oder Goldkernwährungen an dieser Stelle. Die Defizitländer können ihre Leistungsbilanzdefizite mit der Notenpresse bezahlen, ohne dass eine sichtbare Grenze eingebaut wäre, die diesen Prozess verhindert. Angela Merkel kann die Target-Forderung der Bundesbank im Gegensatz zu dem, was Charles de Gaulle gelang, niemals fällig stellen. Die Forderung wächst und wächst, wird mit einem Zins unterhalb der Inflationsrate bedient und wird, wenn überhaupt, erst dann wieder verschwinden, wenn Deutschland den Euroländern andere zinsverbilligte Kreditwege zur Verfügung stellt, die den Wettbewerb mit der Notenpresse bestehen können.
    Target-Kredite verringern die Gefährdung des Eurosystems kurzfristig, erhöhen sie aber langfristig. Aus dem Umstand, dass die Bundesbank die Target-Forderungen hinnehmen muss und sie nicht fällig stellen kann, folgt zunächst mehr politische Stabilität bei wachsenden Target-Salden. Der Zusammenbruch nationaler Zahlungssysteme nach einer Verweigerung der Kapitalmärkte wird wirksam verhindert. Indes verringern Target-Kredite den Anreiz, strukturelle Reformmaßnahmen zu ergreifen, die die Kreditwürdigkeit eines Landes wieder erhöhen, insbesondere die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die die Grundvoraussetzung für einen Prozess der realen Abwertung ist, von der allein eine nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsbilanzsalden erwartet werden kann. Deshalb wachsen die Auslandsschulden der Defizitländer immer weiter, die Rückzahlung wird immer unwahrscheinlicher, und der Knall, der entsteht, wenn das System im Endeffekt an der Überdehnung seiner Budgetbeschränkungen zerbricht, wird immer lauter.
    Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, wie das Bundesfinanzministerium die kurzfristigen und langfristigen Effekte der Target-Kredite einschätzt. Auf die angedrohte Herabstufung der Kreditwürdigkeit des deutschen Staates wegen der Target-Kredite durch die Ratingagentur Moody’s hat es geantwortet:  29
    »Die von Moody’s genannten Risiken in der Eurozone sind nicht neu, wobei die Einschätzung von Moody’s vor allem die kurzfristigen Risiken in den Vordergrund stellt, während längerfristige Stabilisierungsaussichten unerwähnt bleiben.«
    Ich vermute einmal, dass auch Moody’s die Aussage bezüglich der Fristigkeit der Gefahren wohl eher umdrehen würde, denn natürlich stabilisieren die Target-Salden kurzfristig, während sie die Risiken auf die lange Bank schieben.
    Die kurzfristige Stabilisierung und langfristige Gefährdung, die von den Target-Salden ausgeht, gibt auch der Geld-im-Schaufenster-Theorie, die in der Einführung und verschiedentlich zuvor in diesem Buch erörtert wurde, eine tiefere und leider auch dunklere Bedeutung. Nicht nur die heutigen Rettungsschirme sind das Geld im Schaufenster und nicht nur der Euro an sich, wie in Kapitel 4 schon gemutmaßt wurde, sondern ganz konkret sind und waren es die Target-Kredite, die man sich in beliebiger Höhe aus dem EZB-System ziehen kann, wenn sich die Kapitalmärkte verweigern. Die fehlende Begrenzung dieser Kredite, die fehlende Proportionierung der

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