Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Kommentatoren gemutmaßt wurde, sondern eine Verdrängung durch die Beschränkung der Nachfrage nach Liquidität. 8 Die Wirtschaft in den Kernländern braucht in Abhängigkeit von ihrem Aktivitätsniveau immer nur eine begrenzte Menge an Liquidität in Form von zirkulierendem Zentralbankgeld. Strömt dieses Geld bereits über die Markttransaktionen gen Norden, dann fließt dort entsprechend viel zu den Notenbanken und wird wieder sterilisiert, indem bei den dortigen Notenbanken weniger Refinanzierungskredit nachgefragt oder mehr Geld angelegt wird.
Die Abbildung zeigt, dass noch Mitte des Jahres 2007, als die amerikanische Finanzkrise Europa ansteckte, etwas mehr Geld in den GIIPS-Ländern zirkulierte, als dort geschaffen worden war. Nach den ersten Störungen des Interbankenmarktes im Sommer des Jahres 2007 verminderte sich der leichte Überhang aber rasch, weil immer mehr Geld aus diesen Ländern abfloss, und schon ab Mitte 2008 wurde aus dem Überhang ein Defizit. Es baute sich seitdem in den Kernländern ein wachsender Bestand an Außengeld auf, das aus den GIIPS-Ländern kam und das in den Kernländern geschaffene Geld verdrängte.
Den ersten öffentlichen Hinweis auf die Existenz der Target-Kredite gab es im Februar 2011. 9 Damals war der Nettorefinanzierungskredit in den Kernländern schon größtenteils verschwunden. Vollends verschwand er im Juli 2011. Das ist der mit der Ziffer 1) bezeichnete Punkt. Aus dem Süden war so viel Geld gekommen, dass die Banken des Nordens sich keines mehr durch Refinanzierungskredite zu holen brauchten bzw. es bei ihren Notenbanken anlegten. Die selbst in den Kernländern geschaffene Geldmenge hatte ihren Ursprung nur noch in Käufen von Wertpapieren, Gold und anderen Aktiva.
Aber die Entwicklung setzt sich weiter fort, indem der Nettorefinanzierungskredit negativ wurde. Das sieht man in der Abbildung daran, dass die rote Kurve rechts vom Punkt 1) in den gelben Bereich hineinstößt. Die Notenbanken der Kernländer hörten nicht nur auf, Refinanzierungskredite zu vergeben, sondern verschuldeten sich immer mehr bei den Geschäftsbanken ihrer Gebiete, um das überschüssige Geld, das aus dem Süden übergelaufen war, abzuschöpfen. Die Target-Salden explodierten geradezu. Am aktuellen Rand, im Mai 2012, lag das Niveau der Nettoschulden der Zentralbanken der Kernländer bei ihren Geschäftsbanken bei 566 Milliarden Euro. Davon entfielen allein auf die Bundesbank 352 Milliarden Euro.
DIE RISIKEN DER GLÄUBIGERLÄNDER
Für Gläubigerländer, allen voran Deutschland, sind die Target-Kredite ein Risiko, wie es auch andere öffentliche Hilfskredite sind. Wenn die Schuldner nicht zurückzahlen können, muss man die Forderungen abschreiben, und die Güter und Vermögensobjekte, die mit dem Target-Geld in den Kernländern erworben wurden, kommen nie wieder zurück. Auch die privaten Schulden, die die Krisenländer bei den französischen, deutschen und niederländischen Banken hatten und die mit diesem Geld getilgt wurden, bleiben dauerhaft erlassen, auch wenn die Target-Schulden selbst niemals getilgt werden.
Dabei werden die deutschen Abschreibungsverluste freilich durch die Sozialisierung der Geldschöpfungsgewinne und -verluste im Euroraum reduziert, weil sich alle solvent bleibenden Notenbanken diese Verluste nach ihren Kapitalschlüsseln teilen. So würde zum Beispiel Deutschland bei einem Konkurs und Austritt der GIIPSZ-Länder aus dem Euroverbund nicht seine Target-Forderung von mittlerweile 727 Mrd. Euro (Ende Juli 2012) verlieren, sondern sich die Abschreibungsverluste auf die Target-Schulden dieser Länder, die zuletzt 971 Milliarden Euro betrugen, mit den anderen verbleibenden Euroländern teilen. Konkret würde Deutschland knapp 43 % oder 416 Mrd. Euro verlieren.
Als ich das erste Mal im April 2011 in der Süddeutschen Zeitung über die möglichen Verluste schrieb, standen nur die GIPS-Länder im Risiko, also weder Italien noch Zypern, und die Target-Schulden der GIPS-Länder betrugen damals 340 Milliarden Euro (Daten vom Jahresende 2010), was bei einem deutschen Anteil von gut 33 % einen Verlust von 114 Milliarden Euro implizierte. 13 Diese Verluste waren nach der gleichen Methode berechnet, doch eben nur ein gutes Viertel der heutigen Summe, weil die Target-Salden damals noch kleiner waren und vor allem weil Italien noch nicht als Krisenland galt, sodass die Rechnung davon ausging, dass es mitzahlen werde. Das kann man heute nicht mehr ohne Weiteres
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