Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

des Schuldenschnitts.
    Hinweis: Da die dargestellten Einzelziffern gerundet sind, ist ihre Summe nicht genau gleich der gerundeten Summe der exakten Einzelziffern.
    Quellen: IWF, Fiscal Monitor und Outlook Database , April 2012; Europäische Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, The Second Economic Adjustment Programme for Greece. March 2012 , S. 46; Republik Zypern, Finanzministerium, Stability Programme of the Republic of Cyprus 2012–2015 , April 2012, S. 49, http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/pdf/20_scps/2012/01_programme/cy_2012-05-07_sp_en.pdf .

GESAMTSCHULDNERISCHE HAFTUNG
    Die Nachschusspflicht ist insbesondere insofern irritierend, als Deutschland schlimmstenfalls auch für die Zahlungspflichten der anderen ESM-Staaten einzustehen hat. Artikel 25 Absatz 2 besagt, dass der Ausfall einzelner Länder beim Auffüllen des eingezahlten Stammkapitals nach etwaigen Verlusten von den anderen Ländern auszugleichen ist:
    »Nimmt ein ESM-Mitglied die aufgrund eines Kapitalabrufs gemäß Artikel 9 Absätze 2 oder 3 erforderliche Einzahlung nicht vor, so ergeht an alle ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält.«
    Nach Artikel 9 Absatz 2 reicht schon ein einfacher Mehrheitsbeschluss des Direktoriums aus, den Kapitalnachschuss zu verlangen, und die ESM-Mitglieder haben nach Artikel 9 Absatz 3 auch keine Möglichkeit, sich dem zu widersetzen. Dort heißt es nämlich:
    »Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.«
    Es ist also theoretisch nicht ausgeschlossen, dass keiner mehr zahlt als seine Bareinlage und Deutschland für den ganzen Rest aufkommt. So gesehen, muss Deutschland gemäß Artikel 8 Absatz 5, der die Haftung begrenzt, gegebenenfalls zusätzlich zu seiner Bareinlage von 11,4 % weitere 88,6 % seiner Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro, also etwa 168 Milliarden Euro allein nachschießen. Das kommt einer gesamtschuldnerischen Haftung nahe.
    Stefan Homburg hat aber darauf hingewiesen, dass diese Haftungsgrenze nur gegenüber anderen Vertragspartnern des ESM und nicht im Innenverhältnis gegenüber anderen Eigentümern des ESM gilt.  31 Die Haftungsbegrenzung nach außen ist nicht dasselbe wie eine Begrenzung der Nachschusspflicht zur Kompensation von Verlustennach innen. Daher muss Deutschland möglicherweise für die gesamte Haftungssumme von 700 Milliarden Euro nach Abzug der Bareinlage der anderen Länder, die etwa bei 60 Milliarden Euro liegt, gesamtschuldnerisch aufkommen, also gegebenenfalls zu seiner eigenen Einlage von etwa 20 Milliarden Euro nochmals 620 Milliarden Euro zuschießen, wenn die anderen Vertragspartner ausfallen und nicht mehr Geld beisteuern können. Das Gleiche gilt theoretisch selbst dann, wenn ein kleines Land wie Finnland allein solvent bleibt und alle anderen Staaten inklusive Deutschlands vorher ausgefallen sein sollten. Dietrich Murswiek, der Beschwerdeführer für die Bub-Gauweiler-Gruppe vor dem Verfassungsgericht, hat dies zum Anlass genommen, seine Beschwerde entsprechend zu erweitern.
    Problematisch ist in dem Zusammenhang auch, dass hier ein Zahlungsautomatismus wirkt, dem sich Deutschland nicht entziehen kann, ohne dass irgendwo definiert würde, was überhaupt Verluste sind. Entstehen Verluste schon durch Abschreibungen auf Forderungen, die aus irgendwelchen unbekannten Buchhaltungsregeln folgen? Entstehen Verluste, weil man einem Land aus politischen Gründen seine Schulden erlässt? Entstehen sie, weil man es für unziemlich hält, Zwangsmaßnahmen zur Eintreibung von Schulden zu ergreifen? Entstehen sie vielleicht, weil man keine risikoadäquaten Zinsen verlangt? Entstehen sie durch eine inkompetente Unternehmensführung oder überzogene Gehälter der Bediensteten, die man übrigens selbst festlegen darf?  32 Entstehen sie aus fehlgeschlagenen Finanzgeschäften, die selbst gar nicht spezifiziert sind? Das alles ist nicht definiert, und trotzdem müssen die Mitgliedsländer bedingungslos zahlen, wenn die Verluste verbucht werden und eine einfache Mehrheit des Direktoriums sie feststellt. Hier kann eine einfache Mehrheit anderer Staaten mindestens im Umfang von 190 Milliarden Euro, nach der Interpretation Homburgs sogar über 640 Milliarden Euro,