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Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Titel: Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Sinn
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ist schon auf Wachstum ausgelegt. Sollten seine Mittel nicht ausreichen, kann der Gouverneursrat eine Erhöhung des Haftungskapitals über die zunächst vereinbarten 700 Milliarden Euro hinaus beschließen, was auch den deutschen Haftungsanteil von 190 Milliarden Euro entsprechend vergrößern würde. Das Ausleihvolumen vergrößert sich entsprechend. 8 So gesehen, braucht der Bankdirektor also vor dem Eklat vorläufig keine Angst zu haben.
    Es ist heute schon absehbar, dass eine solche Erhöhung nötig sein wird, denn wenn Italien und Spanien die Mittel des ESM in Anspruch nehmen, wird das jetzt vorhandene Geld nicht lange reichen. Der Finanzierungsbedarf entsteht zum einen durch die laufenden Budgetdefizite, zum anderen durch die Notwendigkeit, die fällig werdenden Staatsschulden zu bedienen. Da kaum ein Land seine Schulden wirklich tilgt, sondern sie bei Fälligkeit stets nur mit den Mitteln aus einer erneuten Kreditaufnahme bedienen kann, liegt hier der Hauptgrund für einen möglicherweise raschen Verbrauch der ESM-Mittel.
    Tabelle 10.1 gibt einen Überblick über den Kapitalbedarf der sechs Krisenländer Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien und Zypern in den Jahren 2012 bis 2014. Der jährliche Kapitalbedarf liegt bei geschätzten 861, 701 und 707 Milliarden Euro in den Jahren 2012, 2013 beziehungsweise 2014.
    Im Jahr 2012 ist der Kapitalbedarf besonders hoch, weil in diesem Jahr im Umfang von 78 Milliarden Euro EFSF-Mittel für eine Sondertilgung der griechischen Staatsanleihen im Zuge des Schuldenschnitts vorgesehen waren.  9
    Auch wenn solche Sondertilgungen in den folgenden Jahren hoffentlich entfallen, ist der mögliche Mittelabfluss mit gut 700 Milliarden Euro pro Jahr immer noch riesig, wenn man ihn mit den Mitteln vergleicht, die verfügbar sind. Die Anfang 2012 verfügbaren beziehungsweise absehbaren Restmittel für Finanzierungshilfen aus demESM, EFSF, EFSM und IWF betrugen 500, 89, 13 beziehungsweise 195 Milliarden Euro, also in der Summe 797 Milliarden Euro. Wenn alle Krisenländer über die offiziellen Rettungsfonds finanziert werden müssten beziehungsweise eine solche Finanzierung vorziehen würden, weil diese Fonds bessere Konditionen als der Kapitalmarkt bieten, würde diese Summe allenfalls für etwa ein Jahr langen. Die im ESM-Vertrag genannte Hilfssumme reicht also hinten und vorne nicht, wenn es darauf ankommt. Man muss deshalb die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die schon im Vertragstext vorgesehenen Möglichkeiten, die ESM-Mittel aufzustocken, genutzt werden, sobald der Vertrag rechtsgültig ist. Die Zahlen, die jetzt im ESM-Vertrag genannt sind, sind leider nur die erste Scheibe einer langen Salami.
    Die Möglichkeit der Aufstockung des ESM bezieht sich nicht auf einen unwahrscheinlichen Grenzfall, sondern ist ein Wesensprinzip des ESM, das für die Finanzierung der europäischen Staaten eine fundamentale Bedeutung erlangen könnte. Die Beteuerung des Artikels 8 Absatz 5, die Mitglieder würden nicht schon wegen ihrer Mitgliedschaft für mehr haften als für die im Vertrag genannten Summen, hat die gleiche politische Qualität wie die No-Bail-out-Regel des Artikels 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.  10 Wenn die Ausleihsummen nicht reichen, muss zwar der deutsche Vertreter im Gouverneursrat zustimmen, doch wird sich Deutschland einer Erhöhung des Stammkapitals genauso wenig widersetzen können wie bislang schon der fortwährenden Ausweitung der Rettungssummen. Da bei einer Verweigerung der sofortige Kollaps der an den Kredit gewöhnten Länder droht oder man zumindest einen solchen Kollaps an die Wand malen wird, ist die Vorstellung, der deutsche Vertreter könne von seinem Vetorecht Gebrauch machen, wirklichkeitsfremd. Das Kesseltreiben, das schon im ersten Halbjahr 2012 gegen die Bundesregierung stattfand, um die Zustimmung zur Lockerung der Bedingungen für die Inanspruchnahme der Hilfsmittel zu erreichen (vgl. Kapitel 1), wird umso intensiver sein, je mehr Geld man ins Schaufenster gelegt hat. Wird neues Geld ins Schaufenster gelegt, ist jeder einen Moment lang zufrieden, doch die Pressionen beim Versuch, es dann auch zu bekommen, werden umso größer, weil ertragreicher, sein.
    Tabelle 10.1: Der Finanzbedarf der Krisenländer (Milliarden Euro; Kenntnisstand April 2012)

    * Schätzungen des IWF.
    ** Inklusive der dem EFSF zu entnehmenden Mittel in Höhe von 78 Milliarden Euro zur Sondertilgung der griechischen Staatsschulden im Zuge

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