Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tarnkappe

Die Tarnkappe

Titel: Die Tarnkappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
Vom Netzwerk:
ein deutscher Physiker half, mit seiner Veröffentlichung, ich brauchte einen letzten entscheidenden Hinweis, und das war Siliziumdampf. Das Material mit Silizium bedampfen.«
    »Und dann?«
    »Nuridstrahlung.«
    »Was ist das?«
    »Wird von der Kappe abgesondert. Deshalb stinkt das auch so, nach verbranntem Fleisch. Aber nur, wenn du sie aufsetzt. Hast du es nie klicken gehört?«
    Simon schwieg. Auch wenn er nicht alles verstand, was Gregor ihm erzählte, so gab es doch einen Teil in ihm, der das, was Gregor sagte, verstehen wollte.
    »Und wer finanziert das Ganze?«, fragte Simon. »Wer finanziert die Forschungen dieser Wissenschaftler?«
    » Raytheon Missile Systems. «
    »Rüstungsindustrie?«
    »Was denkst du?«
    »Und deine Forschungen?«
    »Ich? Bin reich. Reich genug. Nur für das Nurid brauchte ich die Hilfe vom BND . Ich habe mich in Pullach mit denen getroffen. Pullach, kennst du doch, Sitz des BND . Ich musste ihnen teilweise meine Forschungen offenlegen. Sie wissen Bescheid. Sie sind sehr interessiert. Aus verständlichen Gründen. Terrorismus? Ausgerottet! Datenschutz? Lachhaft!«
    »Und die vom BND sind jetzt hinter dir her?«
    »Genau.«
    »Nicht die Esoteriker?«
    Gregor lachte. »Versteh doch«, sagte er. »Will man eine Tarnkappe herstellen, ist das Ziel nicht, jemanden leibhaftig verschwinden zu lassen, sondern das Ziel ist, die anderen Menschen zu täuschen, die Blicke der anderen, ihre Wahrnehmung. Das ist schon alles. Sichtbar ist nicht der Mensch, sichtbar ist das Licht. Die Streuung des Lichts. Prallt Licht auf einen Menschen, streut sich das Licht an der Oberfläche, und nur deshalb wird der Mensch sichtbar. Deshalb sehen wir ihn auch nicht, wenn es dunkel ist. Das ist die Kappe. Nicht mehr und nicht weniger. Der Körper verschwindet. Kleidung, alles, was unter ihr steckt. Verschwinden. Vor dem Blick der anderen. Glaubst du mir?«, fragte Gregor.
    »Was ist mit den Wunden? Was ist mit den Schmerzen? Was ist mit den Gedanken unter der Kappe?«
    »Alles Folgen der Unsichtbarkeit.«
    »Und das Jucken? Wie eine Armee Flöhe auf der Kopfhaut? Und der Haarausfall?«
    »Ein innerer Vorgang«, sagte Gregor, der langsam die Geduld verlor, er leierte die nächsten Sätze nur noch lieblos herunter, als müsse er sich keine Mühe mehr geben, die sinnlose Neugier seines Gesprächspartners mit grotesken Wissenschaftsmärchen zu stillen. »Der Schmerz wird nach außen sichtbar, der äußere Punkt des inneren Schmerzes, die Nervenenden, die Veränderung, die sich mit dem Träger der Kappe vollzieht. Wenn dich niemand mehr sieht, wer bist du dann? Sichtbar gewordener Phantomschmerz, der Mensch ein Phantom, ohne den Blick der anderen, der Mensch ein Nichts, Niemand, Nirgends, er berauscht sich an seiner Macht, die Macht führt ins Leere, und der Schmerz des Alleinseins manifestiert sich im Schmerz, der sich einstellt, wenn die Kappe abgenommen wird.«
    Simon schwieg. Merkte, wie er diese Geschichte unbedingt glauben wollte, da sie ihm einen halbwegs vernünftigen Schutzraum bot, in den er sich verkriechen konnte. Und er fragte nicht mehr weiter. Er wollte es so genau nicht wissen. Und das Silizium?, hätte er fragen können. Wenn es aufgebraucht ist? Und der Verschluss auf der Kopfhaut? Der Mechanismus? Und die Kappe selbst? Müsste sie nicht auch unsichtbar sein? Und was faselte Gregor von Nuridstrahlung? Gab es so was überhaupt? Simon hatte nie davon gehört und schloss die Augen.
    Und dann das: ein einziger Gedanke. Die Kappe. Egal. Es interessierte ihn nicht mehr, woher sie kam. Er wollte es nicht mehr wissen. Ob Gregor ein verrückter Wissenschaftler war, wie in diesem Film, A Beautiful Mind , der in seiner paranoiden Schizophrenie geniale Erfindungen macht, aber einen hohen Preis zahlt: Verfolgungswahn, BND , Terroristen; oder ob es eine Welt jenseits des Sichtbaren gab, mystische Gegenstände und magische Erkenntnis, eine Kappe in Mexiko, der Heilige Gral der Unsichtbarkeit: All das war egal. Ob Gregor die Kappe in einem Labor hergestellt oder bei der Pyramide von Calakmul dem Zwerg vom Kopf gerissen hatte: Das war ohne Bedeutung. Es hatte keinen Sinn, herauszufinden, woher die Kappe wirklich kam. Was würde es ihm bringen? Es war egal, was stimmte oder ob überhaupt was stimmte oder welche Möglichkeit der Wirklichkeit entsprach und ob es überhaupt so etwas gab wie die Wirklichkeit. Er hatte die Kappe gefunden. Es war etwas geschehen, das nicht hätte geschehen sollen, können, dürfen. Etwas

Weitere Kostenlose Bücher