Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
schien, die Gefühle, die er für diese seltsame Frau hegte, machten ihm anscheinend Angst. Vielleicht weil er ein ehemaliger Mönch war?
»Goswin, ich lasse mir nichts verbieten. Ich muss mit Gabriel Zimenes reden, wenigstens einmal!«
»Warum?«
»Weil auch er mich für eine Hure hält, und weil es ihm nicht gleichgültig ist!«
Goswin erschrak. Sidonia kannte also ihre Macht über Zimenes. »Er hat nie ein gutes Wort für dich übrig gehabt«, knurrte er abwehrend.
»Aber sehr, sehr viel Geld! Und ich schwöre dir, dass ich ihm nie zu Diensten war.«
»Aber diesem widerlichen Mönch! Ich sah es selbst. Ihr habt es in seinem Zelt auf der Negrona in abscheulicher Weise miteinander getrieben.«
Sidonia riss die Augen auf, Übelkeit stieg in ihr hoch und ein unerträgliches Gefühl der Schuld. Mit einem Mal fühlte sie sich stocknüchtern. »Du hast mich und Aleander beobachtet?«
Goswin nickte grimmig. »Das Ganze war umso widerlicher, weil ich dich damals für seinen Pagen hielt.«
»Der ich nie war! Genausowenig wie seine willige Geliebte. Er hat mich gezwungen. Bitte glaub mir.«
Goswin zuckte mit den Achseln. »Was zählt das schon?«
»Hast du Gabriel erzählt, was du auf der Negrona gesehen hast?«
Der Soldat wischte sich verunsichert die Stirn. »Ich, ich musste ihm nichts darüber erzählen. Er weiß, dass du Aleanders Bettschatz bist.«
Sidonia richtete sich empört auf. Zum Teufel mit den Schmerzen. »Verdammt, ich war nie seine Geliebte! Er zwang mich zu diesen schrecklichen Spielen.«
Goswin schüttelte den Kopf. »Spiele? Nennst du so etwas Spiele?«
Sidonia schloss die Augen. Das Bild des nackten Aleanders tauchte vor ihr auf. Die erste Nacht, seine grauen Augen, das Glitzern des Triumphes, während er zum ersten Mal in sie eindrang.
»Nein«, flüsterte sie, »es war kein Spiel. Es begann mit einer Vergewaltigung ... im Haus meines Vaters.« Scham ließ sie verstummen und den Kopf senken. Wie kam sie dazu, ausgerechnet diesem einfachen Soldaten von ihrem Geheimnis zu erzählen? Weil du es endlich erzählen musst! ‘Vor allem Gabriel Zimenes. Wenn sie seinen Gefährten überzeugen konnte, dann war viel gewonnen. Sie hob das Kinn und schaute Goswin direkt in die Augen – ohne jegliches Flehen, ohne Verstellung.
Goswin schien nicht überzeugt. »Eine Vergewaltigung? Die du widerspruchslos hingenommen hast? Du? Gegen die dein Vater, der mächtigste Kaufmann Kölns, nichts unternahm?«
»Aleander hat sich unter falschen Vorwänden in unser Haus geschlichen. Er gab vor, ein anderer zu sein. Mein Verlobter! Goswin, du weißt genug über seine Machenschaften! Du weißt, dass er ein Blender, ein Teufel ist.«
»Er ist ein Mönch!«
»Er trug keine Kutte, als er in unser Haus kam.«
»Du hast ihn zu dir ins Bett gelassen, das allein zählt.«
»Ich hielt ihn für meinen Bräutigam! Ich hielt ihn für Adrian von Löwenstein!«
Goswin runzelte unwillig die Stirn. »Dann bist du vielleicht keine Hure, aber eine Sünderin. Die erste Nacht sollte stets der Hochzeit folgen!«
Sidonia sah, dass sie einen kleinen Erfolg errungen hatte. Aufgeregt fuhr sie fort: »Er erpresste mich mit Anklagen gegen meinen Vater und meinen Bruder. Du weißt, dass er Lambert als Ketzer verhaften ließ. Ich hatte keine Wahl. Später versuchte ich aus Köln zu fliehen, doch er entdeckte mich auf der Negrona. Den Rest hast du gesehen. Wie hätte ich mich gegen ihn wehren sollen? Meine Entlarvung auf dem Schiff wäre mein Tod gewesen. Und der Tod von Lambert.«
Goswin schwankte kurz. Verflucht, da sollte sich noch einer auskennen! Diese Frau verfügte über Redekünste, denen er nicht gewachsen war. Nahm man ihr Äußeres und ihr außergewöhnliches Temperament hinzu, dann war sie genau die Frau, die seinen neuen Dienstherrn Gabriel Zimenes um seine Herzensruhe bringen konnte. Seine Miene verschloss sich. »Du gehst auf keinen Fall nach Santiago.«
»Nein, sicher nicht.« Sidonia unterdrückte ein Stöhnen und strich sich über ihre Wunde.
»Ich werde nach Santiago fahren. Der Maragato hat die Maultiere wieder eingespannt!«
Goswin spielte seinen letzten Trumpf. »Aleander ist dort! Du gehst freiwillig in die Stadt deines ärgsten Widersachers, oder ist er doch dein Freund?«
»Nein!«
Sidonia griff nach Goswins Arm. »Du glaubst mir also?«
» Aleanders Soldaten wollten dich töten, das spricht für dich.«
Sidonia umarmte Goswin. Er ließ es widerwillig geschehen, dann packte er Sidonia fest bei den
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