Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Schultern. »Aber es spricht gegen eine Reise nach Santiago.«
»Goswin, bitte! Gabriel Zimenes ist der Mann, den ich liebe. Und ich kann nicht glauben, dass er mich hasst. Warum sollte er mir so viel Geld geben? Er will, dass ich meinen Bruder damit freikaufe. Ich muss ihm danken, alles erklären ... dann.« Sie brach ab.
»Er will dich nicht sehen, er ...« Goswin verstummte. Zum Teufel.
»Wenn er mir nicht glaubt, dann kehre ich sofort nach Deutschland zurück.«
»Würdest du das beschwören?«
Sidonia nickte. Ja, das würde sie tun.
Goswins Widerstand war noch nicht ganz gebrochen. »Santiago könnte dein Tod sein!«
»Oh«, sagte Sidonia, »tot bin ich doch bereits. Erschossen von der Santa Hermandad. Und genauso werde ich in die Stadt des heiligen Jakobus einreisen.«
Verdutzt starrte Goswin auf sie hinunter. »Wie?«
»Als Tote. Komm, wir müssen einen Sargschreiner finden.«
5
Bischof Juan Prado Tavera lehnte sich an den Sims eines großen Kamins. Ein prasselndes Feuer erhellte das Schreibzimmer seines Palastes. Die Plaza d’Obradoiro versank in Dämmerung. Noch immer hallten die Klänge von Hämmern herauf. Die Handwerker mussten ein neues Blutgerüst für die Verbrennung von Padre Fadrique errichten. Es sollte sich über alle anderen Kreuze erheben.
Der Verurteilte stand in ebendiesem Moment hinter einem Fenster des bischöflichen Schreibzimmers und schaute auf seine Richtstätte hinab.
Bischof Tavera seufzte. »Fadrique, warum bist du nach Santiago zurückgekehrt? Man sagt, der Hieronymitenorden habe überall im Land sichere Unterschlüpfe. Warum hast du dich Aleander ausgeliefert?«
Der Padre drehte sich um. »Ihr wisst, warum ich hier bin, bischöfliche Gnaden. Ich bot Aleander mein Leben gegen das des Kindes Lunetta an.«
»Ein Kind! Für ein Kind soll ein großer Mann wie du sterben? Bedenke, wie viel Gutes du bewirkt hast und noch bewirken könntest.« Verschwörerisch blinzelte Tavera ihm zu.
Fadrique überging den Einwand. »Könnt Ihr mir garantieren, dass man das Mädchen freilässt? Ihr seid meine einzige Hoffnung.«
Der Bischof löste sich von dem Kamin und ließ sich in seinen Lehnstuhl fallen.
»Ich brauche sehr gute Argumente, Padre Fadrique. Sehr gute. Das Kind soll einen Mord begangen haben.«
»Ich sagte bereits, ich stieß den Mönch über das Geländer! Darum rief das Kind ›Padre‹. Hunderte von Messebesuchern haben es gehört.«
»Ein Mitbruder des bedauerlichen Franco schwört, dass das Mädchen den Mönch hinabstieß.«
»Der Bruder irrt.«
»Aber alle sahen ihre teuflischen Karten in die Kirche herabsegeln. Der Mönch war ihr Exorzist! Was für einen Grund solltest du hingegen haben, einen armseligen kleinen Dominikaner zu ermorden?«
»Er hat meine Ketzereien erkannt und wollte mich bei der Santa Hermandad anzeigen.«
Tavera schüttelte den Kopf. »Das ist eine dünne Lüge, sehr dünn, Fadrique.«
»Das Kind tötete den Mönch nicht, glaubt mir. Und mein Sündenregister ist ohnehin voll. Man kann mich nicht öfter als einmal verbrennen.«
»Ich werde dein Geständnis notieren und beglaubigen, aber um das Mädchen freizubekommen, bedarf es weiterer Argumente. Sie hatte diese Karten bei sich ...«
»Ich gab ihr die Karten. Auch das ist die Wahrheit. Sie gehörten zu meiner Bibliothek in Toledo. Sie wurden nach italienischem Vorbild von mir weiterentwickelt und von einem arabischen Kartenmaler gezeichnet. Sie zeigen Symbole aller mir bekannten Religionen. Das ist – nach herrschender Lehre – Blasphemie.«
»Nun denn.« Der Bischof gab seinem Sekretär, der stumm neben der Tür gewartet hatte, ein Zeichen.
»Hol Aleander her. Wenn du zurück bist, schreib alles mit, was gesagt wird. Das Protokoll des Disputes muss dem päpstlichen Legaten vorgelegt werden.«
Der Sekretär verschwand lautlos.
»Ich danke Euch, Bischof.«
Tavera schüttelte das Haupt. »Ich habe noch nichts erreicht. Wir können von Glück sagen, dass der Legat von Burgos sofort hierherkam. Nur dein Name konnte ihn dazu bewegen. Oh, Fadrique, dein Ruhm ist groß!«
»Übermorgen wird er dort auf dem Platz in Rauch und Flammen aufgehen. Nun, ich hänge nicht daran. Je weniger ich den Ruhm suchte, umso sicherer erreichte er mich und machte mir bittere Feinde.«
Wieder seufzte Tavera. »Ich fürchte, dass es noch vielen Männern wie dir ergehen wird.«
Fadrique nickte. »Ja. Selbst der Name des großen Erasmus, der beharrlich für ein Miteinander aller Religionen spricht und das
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