Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
Vom Netzwerk:
das Frühstück im Refektorium schwand schnell, als der Prior des Hospitals ihm mitteilte, der Maragato und die Señora – er nannte sie tatsächlich Dame – seien bei Morgengrauen aufgebrochen.
    Fluchend sattelte Goswin sein Pferd und jagte den beiden über staubende Sandwege hinterher. Die Steigungen waren nun zwar weniger steil, aber dafür länger. Das Land wurde grüner; es wirkte lieblich und herb zugleich. An den Wegrändern standen steinerne Kornspeicher auf Säulen und erinnerten an heidnische Grabstätten. Nur selten begegneten ihm Bauern. Nachdem er einen von ihnen nach Sidonia und dem Maragato befragt hatte, gab er auf. Er verstand kein Wort der seltsamen, weichen Sprachmelodie. War das Spanisch, was der Kerl gesprochen hatte? Es hatte nichts mit den rauen, harten Klängen gemein, die er inzwischen gewohnt war. Genauso wenig wie Galicien etwas von der gnadenlosen Meseta hatte. Das regenreiche Land war grün und fruchtbar, voll schattiger Waldstücke, baumbestandener Bachniederungen und saftiger Wiesen. Pinien-und Eichenhaine wechselten einander ab.
    Goswin hatte keinen Blick für die Schönheit der Landschaft, bis er kurz vor Palas de Rei die Staubwolke entdeckte, die der Wagen des Maragato hinter sich aufwirbelte. Noch einmal gab er seinem Pferd die Sporen und holte Sidonia auf ebener Piste schnell ein.
    Sie grüßte ihn mit triumphierender Lässigkeit. »So sieht man sich wieder.«
    »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«, schrie er sie an, während er sein Pferd in leichten Trab verfallen ließ. Der Karren rumpelte gemächlich dahin, die Maultiere brauchten Schonung.
    »Ich sagte dir schon, ich will weiter und voran«, erwiderte Sidonia. »Die Johanniter gaben mir einen hervorragenden Kräutertrank.« Sie hielt einen Lederschlauch hoch. »Gegen einen Maravedi für ihren Spitalsheiligen haben sie mir etwas davon abgefüllt. Ich fühle mich leicht wie ein Vogel.«
    Goswin packte sich den Lederschlauch, entkorkte ihn und schnupperte daran. »Branntwein. Kein Wunder, dass du dich wie ein Vogel fühlst.«
    Sidonia kicherte. »Der Maragato glaubt, dass wir es in drei Tagen bis nach Santiago schaffen können. Er glaubt, dass der Regen erst mal ein Ende hat. Schau in den Himmel, er ist köstlich blau ...«
    »Santiago? Es geht nach La Coruña!«
    Der Maragato hielt den Wagen an, drehte sich zu den Streitenden um und bekundete, er müsse seine Maultiere füttern und tränken. Während er die Tiere ausspannte, kletterte Sidonia schwankend vom Wagen hinab. Sie dehnte sich und bereute es sofort. Ihre Wunde meldete sich mit jähem Schmerz zurück. Goswin sprang vom Pferd und stützte sie.
    »Komm, dort hinten ist ein Brunnen, ich führe dich hin.«
    An dem Brunnen lagerten zwei oder drei erschöpfte Pilger, die sich in einem Gemisch verschiedener Sprachen – das alle Pilger im Laufe ihrer Wanderung entwickelten – unterhielten. Kurz vor Ende der Wallfahrt sprachen sie nicht mehr darüber, wohin sie noch gehen würden, sondern woher sie kamen.
    Etwas abseits breitete Goswin eine Decke aus, schöpfte Wasser aus dem Brunnen und gab Sidonia von dem Brot, das die Hospitaliter ihm eingepackt hatten. Nachdem Sidonia ihren Hunger gestillt hatte, begann er auf sie einzureden. »Was willst du in Santiago?«
    »Ich muss nach Santiago«, sagte Sidonia schlicht.
    »Ist es wegen Gabriel Zimenes? Was verbindet dich mit ihm? Außer eurer unglaublichen Sturheit!«
    Sidonia schwieg.
    »Hör zu, ich habe dich in den letzten Tagen kennen gelernt. Es tut mir leid, dass ich so schlecht von dir dachte. Eine Hure ist eine Hure, heißt es ...«
    »Ich bin keine Hure!« Zornig schaute Sidonia in das Gesicht des Soldaten, dann begann sie zu kichern.
    »Was ist so komisch?«
    Sidonias Kichern wurde zu einem lauten Lachen. Goswin beobachtete sie verdutzt. Verflixter Branntwein. Sidonia schüttelte sich, hielt sich die Brust, weil das Gelächter ihr Schmerzen verursachte. Sie zwang sich, ruhiger zu atmen.
    »Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung?«
    »Du meinst in Köln?«
    »Genau. An der Hafenpforte. Schon damals sagte ich dir: Ich bin keine Hure. Und jetzt sage ich es wieder: Ich bin keine Hure! Wann willst du mir endlich glauben?«
    Goswin nahm seine Helmkappe ab, wischte sich mit der Hand über den Kopf. »Es ist mir gleichgültig, was du bist. Genügt das? Ich will jedenfalls nicht, dass du nach Santiago reitest. Gabriel Zimenes hat es verboten.« Auch wenn Gabriel weder den Tod noch den Teufel Aleander zu fürchten

Weitere Kostenlose Bücher