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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Gasse zwischen zwei Zunfthäusern, die sich in Sidonias Rücken erhoben. Am Ende nickte der Marktvogt. Lunetta zählte ihm Münzen in die Hand und tauchte in der Menge ab.
    Sie flitzte direkt an Sidonia vorbei, doch bevor diese Lunetta aufhalten konnte, war das Kind schon in einer Schenke verschwunden. Sidonia kaufte sich eine Pfingstbrezel und beschloss zu warten. Als neben ihr Köpfe in die Höhe fuhren, schaute auch sie nach oben und hielt den Atem an.
    Die kleine Bärenführerin balancierte hoch über dem Markt auf dem Hebearm eines Flaschenzugs, hatte eine Schlinge in ihr Seil geknüpft, holte aus, ließ das Seil kreisen und warf die Schlinge mit Schwung über einen Kranbalken am Nachbarhaus. Mit einem Ruck zog sie die Schlinge fest, straffte das Seil und verknotete das andere Ende an dem Balken, auf dem sie stand. Sidonia klatschte vor Aufregung in die Hände. »Wie wundervoll«, rief sie aus.
    » Maldito. Sie wird sich den Hals brechen!«
    Sidonia wandte sich um. Hinter ihr stand der spanische Degenträger, den sie kurz für ihren Ritter gehalten hatte. Seine schwarzen Augen glühten vor Zorn. Was für ein arroganter Spaßverderber!

9
    Lunetta atmete tief ein und aus, so wie der Greis es ihr beigebracht hatte. Atme ruhig und gleichmäßig, dann tanze auf das Seil, setze die Füße kreuzweise. Deine ersten Schritte müssen flink sein. Nur Mut.
    Das Mädchen schloss die Augen, der Lärm unter ihr versank. Lunetta beschwor das Bild einer Brücke. Nichts war schwer daran, eine Brücke zu überqueren. Sie riss die Augen auf und setzte den linken Fuß auf das vibrierende Seil, lief los. Das Seil schwang sanft nach beiden Seiten, mit einem Sprung rettete sie sich auf den gegenüberliegenden Balken. Seufzer und leiser Beifall waren ihr Lohn. Wollte sie allerdings mehr als ein paar Kupfermünzen einstreichen, musste sie nun einen Drehsprung oder Salto wagen. Lunetta holte wieder Luft.
    Der Seiltanz war ihre einzige mögliche Verdienstquelle, denn selbst für das Recht zu betteln verlangte man in Köln Geld. Sie brauchte viel Geld, um Kleider zu erwerben, die anständig genug waren, um sich im Haus van Berck und bei Doña Rosalia vorzustellen. Einem zerlumpten Gauklerkind würde man dort gewiss die Tür weisen. Heiratsurkunde hin oder her. Kleider machen Leute, hatte ihre Mutter sie gelehrt, und das Leben der Mutter war der Beweis dafür gewesen, auch wenn die vornehmsten Kleider ihr am Ende nichts genutzt hatten. Nicht einmal ihr Brautkleid aus seidenem Bombasin. Es hatte lichterloh gebrannt wie eine Fackel. Heller Schmerz loderte in Lunetta auf, heiß wie eine Flamme. Nur nicht daran denken. Nie daran denken. Selbst der Traum von Flammen bedeutete Tod. Lunetta beschwor erneut das Bild einer Brücke, breitete die Arme aus, setzte den Fuß vor, verharrte wie schwebend für einen Moment über dem Seil.
    »Ich muss sie herunterholen«, zischte im Publikum der Mann mit der Laute und wollte sich an Sidonia und den Schaulustigen vorbei zum Eingang der Schenke drängen.
    Sidonia schüttelte den Kopf. »Die Kleine ist Seiltänzerin. Sie beherrscht noch ganz andere Kunststücke, ich sah gestern ...«
    »Sie ist keine Seiltänzerin«, erwiderte der Fremde und schob Sidonia beiseite.
    »Schaut nur, schaut«, schrie ein Gaffer. Sidonia und der Lautenspieler rissen die Köpfe hoch. Sidonia tat einen Schrei. Ein brennender Pfeil sauste auf das Kind zu. Lunetta wandte schlafwandlerisch den Kopf. Sie erstarrte. Darum also hatte sie eben an Flammen denken müssen. Ihre Ahnungen trogen nie. Lunetta hob abwehrend die Arme, krümmte sich und schwankte.
    »Halt dich fest«, schrie Sidonia, während sie sich an der Seite des Lautenspielers durch die Menge kämpfte, um unter das Seil zu gelangen. »Verdammt, halt dich irgendwo fest!«

10
    »Ein guter Schuss«, lobte Aleander, der sich neben Pancheo in einer Treppengasse auf der anderen Seite des Marktplatzes verborgen hielt.
    Pancheo ließ seine Armbrust sinken und verfolgte mit zusammengekniffenen Augen die Bahn des Feuerpfeils. »Nicht gut genug.« Er spuckte aus. Ärgerlich rieb er seine von der Bärenpranke verletzte Schulter. »Ich habe sie verfehlt.«
    »Das macht nichts«, sagte Aleander. »Sie stürzt ab.« Die Augen der Männer verfolgten Lunettas Fall. »Irgendwer hat sie aufgefangen!« Aleander starrte in die wogende Menge unter dem Seil. »Das kann sie nicht überlebt haben!«
    »Sie ist die Tochter einer Hexe, sí ? Die Nachtweiber können fliegen!«
    Aleander schnalzte mit

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