Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Kälte, der Aleanders Gesicht überzog, als er mit einer einzigen Bewegung in ihren Schoß eindrang, sah sie nicht. Sidonias entsetzte Wehlaute erstickte er mit seiner Hand.
»Nun, stolze Sidonia? Ich wusste, dass du für die Sünde gemacht bist, wie alle Töchter Evas. Von nun an sollst du es nie mehr vergessen.«
Sidonia empfand keinerlei Freude, der Schmerz war unerträglich. Vielleicht wusste sie wirklich nicht, was Lust war oder sein konnte. Es war entsetzlich, den Ausdruck grausamer Verzückung auf dem Gesicht des Ritters zu sehen, während er rücksichtslos in sie eindrang. Ihr Schoß brannte. Je widerwilliger sie sich unter ihm wand, umso mehr Freude schien er zu empfinden.
Der Mann, der ihr eben noch wie ein Engel erschienen war, war nun der gräulichste aller Teufel. Ein Satan, der sie ihre unverzeihlich dummen Träume von Liebe und Leidenschaft büßen ließ. Fest verschloss sie die Augen. Sie wollte das Bild, das der Ritter in seiner keuchenden Lust bot, auslöschen. Dunkel umfing sie.
Aus dem Dunkel stieg eine Stimme auf: »Vergesst den Ritter. Er kann und würde Euch nicht glücklich machen. Niemals.« Es war die Stimme von Gabriel Zimenes. Sidonia riss die Augen auf. Lieber würde sie ihrem künftigen Gemahl ins Gesicht schauen, als diese Stimme hören.
Mit aller Macht presste sie ihre Schenkel gegen seine Hüften, zog ihre Scham zusammen, wollte den Mann von sich abwerfen, als sich eine Flut in ihr ergoss. Während er sich aus ihr zurückzog, spiegelte das Gesicht ihres Liebhabers genau die Verachtung wider, die sie für sich selber empfand.
22
Sidonia erwachte im Morgengrauen. Benommen richtete sie sich in ihrem Bett auf, sah die zerwühlten Laken, spürte den Schmerz zwischen ihren Beinen und riss die Decke fort. Ein Blutfleck verschaffte ihr Gewissheit. Nein, sie hatte nicht geträumt. Sie war entjungfert. Und der Ritter war noch in der Nacht verschwunden. Mit nichts als der Ankündigung, dass er heute ihren Vater aufsuchen würde.
Mit angstvoll klopfendem Herzen schob Sidonia sich im Bett hoch, betrachtete die Striemen, die sein Ledergurt auf ihren Handgelenken hinterlassen hatte. Ihre Demütigung hätte nicht vollkommener sein können.
Sie stand auf und lief zu einer Schüssel mit Wasser, begann sich mit einem Tuch die Scham zu waschen. Jede Berührung erneuerte den Schmerz, den der Mann ihr gestern verursacht hatte. Sie achtete nicht darauf, rieb immer heftiger und kämpfte mit den Tränen. Was hatte sie getan! Entsetzt sah sie, dass das Wasser eine rote Farbe annahm. Sie packte die Schüssel, öffnete ein Fenster und entleerte sie über die Dachschindeln. Zwei Tauben flogen mit schlagenden Flügeln auf.
Sidonia atmete gierig die Morgenluft ein und versuchte sich zu beruhigen. Sie hatte nur getan, was ihr künftiger Mann von ihr verlangt und was ihm Lust bereitet hatte. Eine Lust, die sie nicht teilen konnte, auch wenn es vor der brutalen Vereinigung Momente gegeben hatte, die erregend gewesen waren.
Vielleicht war das alles, was Frauen von der sinnlichen Liebe erwarten konnten. Waren ihr nicht viele Freundinnen am Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht merkwürdig vorgekommen? Hatten sie nicht alle rasch das Gespräch auf die Morgengabe gelenkt, die ihnen der Gemahl präsentiert hatte, und mit den Ringen, Ketten und Geldgeschenken geprahlt?
Natürlich sprach man nicht darüber, was Vermählte nach dem Tausch von Ring und Treuegelöbnis in den Betten trieben. Sicher hatte sich keine ihrer Freundinnen zuvor ausgemalt, dass die fleischliche Vereinigung dem Treiben von Gassenkötern glich. Genauso wenig wie sie selbst. Und vielleicht kannten alle Frauen dieses Gefühl von Scham, Demütigung und Ernüchterung nach der ersten Nacht.
Traurig ließ sie ihren Blick über den Hof schweifen und stutzte. Die dunkle Gestalt Doña Rosalias überquerte den Hof, nicht stolz und mit gemessenen Schritten, wie es ihre Art war. Nein, sie huschte an den Wänden des Pulverlagers entlang. Sie war nicht allein. An einer Hand hielt sie Lunetta! Das Mädchen taumelte mehr, als dass es ging. Die Witwe blieb kurz stehen, sprach eindringlich auf das Mädchen ein! Dann liefen beide weiter. Doña Rosalia verabschiedete das Kind beim Tor, das in die Gasse führte. Lunetta schmiegte sich an sie, die Witwe erwiderte die Umarmung und küsste ihr Haar. Dann lief das Kind auf die Gasse, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sidonia wandte sich mit gerunzelter Stirn ab.
Du bist eine Torin, schalt sie sich. Was kümmern dich
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