Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
ihm um die Schultern und strich sein Haar glatt. Claas van Berck wischte ihre Hand beiseite, als sich die Tür seines Kontors langsam öffnete.
Ein Mönch in weißer Tracht betrat hinkend den Raum. Sidonia sog scharf die Luft ein. Wie weit wollte der Ritter seine Maskeraden und Demütigungen noch treiben? Der Dominikaner zog die Kapuze seiner Kutte vom Kopf. Sie enthüllte seine Tonsur. Sidonia erbleichte, während der Dominkaner bescheiden grüßte. »Gott mit Euch!«
Claas van Berck betrachtete den Kirchendiener voll Ungeduld. »Wer ließ Euch hinein, Bruder? Wir haben hier Geschäfte zu besprechen.«
»Ebendarum bin ich gekommen«, sagte der Dominkaner und nickte Sidonia zu. »Eure Tochter wird Euch alles erklären.«
»Meine Tochter?«
»Vater«, sagte Sidonia und sank auf einen Stuhl. »Dieser Mann ist Graf von Löwenstein.«
Tringin tat einen kleinen Schrei. Claas van Berck erhob sich verwirrt aus seinem Lehnstuhl. »Das ist ein Mönch!«
»Nein«, sagte Sidonia ärgerlich, »das ist Ritter Adrian von Löwenstein. Er liebt Verkleidungsspiele. Gestern besuchte er mich in anderem Gewand und sagte ...«
»Dass mein Name Löwenstein ist, ja. Aber du hast vergessen, mich nach meinem Vornamen zu fragen. Ich bin nicht Adrian, sondern Aleander von Löwenstein, sein älterer Bruder, und tatsächlich Mönch.«
Sidonia erbleichte: »Was soll das heißen? Du sagtest, du wärst mein Bräutigam, du ...«
Langsam drehte sich Aleander zu ihr um: »Und genau das war ich im eigentlichen Sinne doch auch in der vergangenen Nacht, nicht wahr? Du hast mich zur Sünde verführt. Erschreckend willig und zügellos, möge der Herr dir verzeihen!«
Sidonia sprang mit einem wütenden Schrei auf ihn zu, holte aus und ohrfeigte ihn: »Du lügst. Du Teufel! Du elender Teufel!« Wieder wollte sie ausholen, doch der Mönch griff ihr Handgelenk und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Sidonia schrie vor Schmerz.
Claas van Berck eilte hinter seinem Schreibtisch hervor: »Ich werde dich aus dem Haus prügeln! Wie kannst du es wagen, so mit meiner Tochter zu reden?«
Der Mönch zog die sich wehrende Sidonia wie einen Schutzschild vor seine Brust und unterbrach ihn: »Mit einer Hure kann jeder umgehen, wie es ihm beliebt! Unten wartet der Stadtsoldat Goswin. Fragt ihn, er kann Euch berichten, was Eure leichtsinnige Tochter bei Nacht in den Gassen alles treibt oder im Hafen bei Freiern und Lumpen!«
Claas van Berck griff nach seinem Herzen, sein Atem ging in schweren Stößen, Tringin eilte herbei, um ihn zu stützen. Mit wutverzerrtem Gesicht schrie Sidonia: »Lass mich los, lass mich sofort los, du Lügner.«
»Tringin, rufe den Gewaltrichter herauf«, verlangte van Berck.
Der Mönch schleuderte Sidonia wie eine Puppe von sich, trat um den Schreibtisch herum und setzte sich in den prachtvollen Lehnstuhl des Kaufmanns: »Ich würde davon abraten, die Obrigkeit einzuschalten. Über diesem Haus hat sich eine Wolke von Verdächtigungen zusammengezogen, und als Vertreter der Heiligen Inquisition weiß ich, wie schnell aus einem Verdacht eine Anklage und aus einer Anklage ein Todesurteil werden kann. Für Euren Sohn gibt es kaum Hoffnung, und nun hat sich auch Eure Tochter als Priesterliebchen einer Todsünde schuldig gemacht. Und das mit Freuden, wie ich bestätigen könnte. In jedem Fall ist sie nicht mehr das, was man juristisch eine virgo intacta nennt, und somit kaum ehrbar zu verheiraten.«
Claas van Berck stützte sich schwer auf die Armlehnen eines Scherenstuhls, drehte sein geschwollenes und blau verfärbtes Gesicht zu seiner Tochter hin, die sich gegen eine Wand drückte.
»Sidonia, was redet dieser Mann? Was hast du getan? Sag mir, dass er irre ist, toll wie ein Hund! Wie kann er dich eine Hure nennen?«
Sidonia senkte den Kopf.
Der Mönch beugte sich über den Schreibtisch. »Werter van Berck, ich empfehle Euch, Platz zu nehmen und auf später einen Bader zu bestellen, der Euch zur Ader lässt, damit das Blut wieder in Fluss kommt. Ich selbst reinige mein Blut und meine Seele regelmäßig! Und nun werde ich Euch erklären, warum ich – entgegen jeder Neigung und zur Schande meines Standes – die Stelle meines Bruders im Bett Eurer Tochter einnahm und welch nützliche Verbindung daraus für uns entstehen kann.«
»Das kann nicht wahr sein, es ist nicht wahr!«
»Beruhigt Euch, van Berck. In Adelskreisen ist ein Beischlaf in Stellvertretung nichts Ungewöhnliches. Johanna von Aragon, die Mutter unseres jetzigen Kaisers
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