Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Volk ein Paradies für Habenichtse und Jedermann.«
»In Spanien werden wir ohne den Papst damit fertig werden.«
»Dank unserer unabhängigen Inquisition. Ja. Und wenn wir verzückte Einsiedler und Schwärmer wie Fadrique zerdrücken müssen wie Läuse.«
Tavera schüttelte sich bei dem Vergleich und spürte, dass seine Kopfhaut zu jucken begann.
»In einem haben die Ketzer Recht«, fuhr Aleander befriedigt fort. »Gott ist nur eine Idee, die sich nicht sichtbar machen lässt – im Gegensatz zum Bösen. Das zeigt sich in jedem Winkel dieser Welt.«
»Bruder Aleander!«
»So schrieb es der von allen Universitäten und dem Papst anerkannte William Ockham. Ihr seid entsetzt, wie ich sehe! Nun, solche Wahrheiten sind nur für gebildete Köpfe bestimmt. Allein die besten Theologen können die Existenz Gottes beweisen. Männer von schärfstem Verstand.«
»So wie du?«
»Meine große Arbeit über das Alphabet wird demnächst beendet sein. Ein bescheidener Beitrag zu den Lehren der Kirchenväter.« Aleander pausierte und lächelte Tavera milde an. »Die Auffassungsgabe der Massen aber ist schwach. Gott geht eindeutig über ihren Verstand. Sie brauchen Führung. Sie können nichts begreifen ohne deutliche Zeichen. Ohne Reliquien, Bittprozessionen, Rosenkränze ... Blutgerichte.«
Das Stöhnen der Flagellanten wurde lauter, genau wie die Gebete der Weiber. Aleander lächelte weiter.
»In Deutschland predigt man mit großer Heftigkeit die Güte Gottes, der im Abendmahl alle Sünden vergibt, so wie Jesus seinen Jüngern vergab. Das Volk verlacht dort in großen Teilen bereits alle Messopfer, Bußprozessionen und Beichten! Wozu, denken diese Dummköpfe, wozu das alles, wenn mein Seelenheil sicher in Gottes Hand ruht und die Güte des Herrn unermesslich ist? Zu solchen Irrtümern kommt es, wenn man schwatzhaften Gelehrten und Schwärmern das Feld überlässt.«
»Schauderhaft«, raunte der Bischof und schloss klirrend das Fenster. Es war unklar, ob er von den blutigen Exzessen der Flagellanten oder der unendlichen Güte Gottes sprach.
Aleander fühlte, dass sein Sieg bevorstand. Tavera – bekannt dafür, dass er einen Kardinalshut anstrebte – würde Fadrique fallen lassen, wenn er ihm bewies, dass dieser Gottes Majestät beleidigte, indem er dessen reich gestufte Bürokratie für überflüssig hielt.
»Die Santa Hermandad ist dem Padre auf der Spur. Er scheint in den Bergen bei Carrion geheime Konventikel zu halten. Die Leute laufen ihm zu. Und das auf dem Jakobsweg! Stellt Euch vor, was passierte, wenn dieser heilige Weg zum Weg der Verzückten würde, die glauben, in der Weite und Stille der Landschaft Gott in sich finden zu können! Unsere Ablässe und Bußübungen, die Beichten und Messen würden alle Kraft und allen Glanz verlieren. Fadrique muss verhaftet und abgeurteilt werden. Hier in Santiago.«
»Das ist unmöglich. Fadrique hat zu viele Freunde in Santiago.«
»Nun, das lässt sich ändern – oder?«
Aleander schaute den Bischof vielsagend an. »Vor allem, wenn eine Seuche im Anzug ist. Die Menschen werden in ihrer Angst Schuldige suchen. Etwa Gotteslästerer, die das Böse auf sie hinabgezogen haben. Ein prachtvolles Autodafé mit brennenden Ketzern zur rechten Zeit wäre ein gutes Mittel, um ihre Gottesfurcht zu stählen.«
»Es gibt keine Juden mehr in Santiago«, warf Tavera ein. Es klang bedauernd.
»Das Böse hat viele Gesichter, und am gefährlichsten ist es, wenn es unter der Maske des Guten daherkommt.«
Entsetzt schaute Tavera hoch. »Wenn du Fadrique brennen lässt, wird man dich hassen!«
»Die Menschen scheuen sich weniger, einen anzugreifen, der sich beliebt gemacht hat, als einen, den sie fürchten, schreibt Machiavelli.«
»Du scheinst dir deiner Sache sehr sicher.«
»Ich bin ein Soldat Gottes. Man muss den Menschen das Böse und dessen Vernichtung vorführen. Selbst wenn man dabei einmal den Falschen trifft, so ist die gute Sache doch nicht verloren: die Allmacht der Kirche.«
Tavera wandte ihm den Rücken zu. »Schaffe mir mehr Beweise. Ich brauche Beweise gegen den Padre.«
»Die sollt Ihr haben, Euer erzbischöfliche Gnaden. Schon jetzt kann ich Euch eine kleine Ketzerin vorführen, die unter Fadriques Einfluss stand. Ihr Name ist Lunetta, sie legt Karten und gibt vor, das zweite Gesicht zu besitzen.«
»Ein Kind?«
»Ihre Mutter wurde vor einem Jahr als Hexe hingerichtet. Auch sie war seit Jahren Fadriques Schützling.«
Tavera wagte eine letzte Attacke. »Und du
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