Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
hatten sie ihn und seine Steppenreiter nicht ernst genommen und geglaubt, sie würden sich mit Überfällen auf wehrlose Dörfer begnügen und die reguläre Armee meiden. In dem Moment, in dem der schwedische Kommandant in sich zusammensank, sah Sergej Bahadur mit der Sankt-Georgs-Fahne in der Linken auf sich zukommen, die Pistole schussbereit in der rechten Hand. Der Säbel wäre in seinen Augen sinnvoller gewesen, denn das Ding war nach einem Schuss so wertlos wie ein Stock. Er wollte ihm schon zurufen, die Waffen zu wechseln, da hob der junge Tatar die Pistole und schoss. Keine zwei Schritte von Sergej entfernt sank ein schwedischer Kanonier nieder, der dem russischen Hauptmann mit dem Ladestock den Schädel hatte einschlagen wollen.
    »Danke«, rief Sergej Bahadur zu und nahm zufrieden wahr, dass der Junge die noch rauchende Pistole in den Gürtel schob und den Säbel zog.
    Schirin ahnte nicht, welch herrliches Bild eines jungen Kriegers sie abgab, als sie Goldfell mit den Schenkeln durch die auf sie eindringenden Feinde lenkte und sie mit präzisen Säbelhieben von sich fern hielt. In Gefahr geriet sie nicht mehr, denn Kitzaq fegte an der Spitze seiner Reiter heran und warf die sich zusammenrottenden Schweden vom Bohlenpfad. Auch Kang und Ischmet gewannen schnell die Oberhand, und so wagte Sergej es, einen Teil seiner Männer zu sich zu winken.
    »Versenkt diese verdammten Kanonen im Sumpf!«, schrie er ihnen zu.
    Wieder begriff Kitzaq als Erster, was sein Anführer vorhatte. Der Tatar beugte sich aus dem Sattel, packte eines der Seile, mit dem die Schweden die eingebrochene Kanone auf das Trockene hatten ziehen wollen, und kippte das Geschütz mit Hilfe seines Pferdes um, so dass das Rohr im Sumpf versank. Andere Steppenreiter sprangen aus den Sätteln, stemmten sich gegen die übrigen Kanonen und rollten die Rohre johlend in den Morast.
    Sergej sah zufrieden zu, wie der Stolz der schwedischen Kanonengießereien von Falun im Dreck versank, und vergaß in seinem Triumph auf die Umgebung zu achten. Plötzlich strich eine Musketenkugel wie eine verärgerte Hummel an seinem Hut vorbei.
    »Aufhören! Wir ziehen uns zurück!«, brüllte er seinen Leuten zu. Die Steppenreiter saßen beinahe im gleichen Augenblick im Sattel und trabten davon, so schnell der Boden es erlaubte. Sergej trieb Paavo in den Sattel, sprang mit einem Satz auf Moschka und gab ihm die Sporen. Feuchte Erde stob unter den Hufen auf, und nach zwei Schritten sank der Wallach fast bis zu den Knien ein. Tier und Reiter waren jedoch schon an das Gelände gewöhnt, und so kam Moschka schnell genug frei, um Sergej aus der Schussdistanz der Schweden zu bringen. Die Musketiere versuchten, den Angreifern zu folgen, blieben aber nach kurzer Zeit hinter ihnen zurück; ein Beritt Dragoner erwies sich als hartnäckiger. Johlend verfolgten die Kavalleristen den fliehenden Feind und achteten dabei nicht darauf,dass sich die Steppenkrieger in Deckung der Bodenwellen teilten. Ohne auf Sergejs Befehl zu warten, umgingen sechzig von ihnen die Verfolger, fielen ihnen in den Rücken und ließen einen Pfeilhagel auf sie niedergehen. Als sie sich kurz darauf wieder dem Haupttrupp anschlossen, hielt jeder von ihnen einen erbeuteten schwedischen Karabiner in der Hand. Kang hatte sich zudem noch den Säbel eines Dragonerleutnants umgehängt und Kitzaq die Satteltaschen voll Munition und Pulver gestopft, während ein paar der Reiter mit erbeuteten Dreispitzen prunkten.
    Als keine Verfolger mehr zu befürchten waren, ritt Sergej zu der Anhöhe, von der aus er den schwedischen Heereszug beobachtet hatte, und musterte zufrieden das Ergebnis seines Überfalls. In den Reihen der Feinde herrschte noch beträchtliche Unruhe, und die Offiziere, welche sich nach Kräften bemühten, die Lage unter Kontrolle zu bringen, schienen uneins zu sein, wie es weitergehen sollte. Während einige ihren Gesten zufolge vehement dafür eintraten, die Steppenreiter zu verfolgen, schienen andere die inzwischen fast spurlos verschwundenen Kanonen bergen zu wollen.
    Sergej konnte sich nicht vorstellen, dass die Schweden auch nur ein Geschütz aus dem Sumpf würden holen können, denn dazu hätten sie Spundwände bis auf den festen Untergrund treiben und das Wasser zwischen ihnen abpumpen müssen. Er hatte während des Angriffs nicht gezählt, wie viele Kanonen seine Leute versenkt hatten, schätzte aber, dass die Attacke die Schweden sechs bis acht Rohre ihres schwersten Kalibers gekostet hatte. Stolz

Weitere Kostenlose Bücher