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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dann wirst du sehen, wie Tataren so ein Flüsschen überqueren.« Kitzaq kehrte zu seinem Pferd zurück, das er bei Sergejs Moschka zurückgelassen hatte. Der Hauptmann kniff die Augen zusammen und fragte sich, ob er überhaupt noch der Anführer seiner Schar war. Aber das war jetzt nicht sein vordringlichstes Problem, daher machte er eine wegwerfende Handbewegung und eilte hinter Kitzaq her. Nach kurzer Zeit trafen sie auf die schon ungeduldig wartenden Krieger, und Sergej befahl ihnen, ihre Pferde am Zügel zu nehmen und auf ihre Deckung zu achten, damit die Schweden, falls sie Wächter aufgestellt hatten, die den Strom beobachteten, nicht gewarnt wurden. Dann wies er Kitzaq an, neben ihm zu bleiben.
    Der Tatar hielt das Band des Stroms sorgfältig im Auge und schien eine Weile nicht mit dem zufrieden zu sein, was er sah. Plötzlich aber blieb er stehen und hob die Hand. Sergej befahl den anderen, sich umsie zu sammeln. Kitzaq grinste zustimmend und stieg auf einen umgekippten Baumstamm. »Unser Väterchen Anführer«, rief er über die erwartungsvoll gespannten Männer, »hat beschlossen, dass wir an dieser Stelle über den Fluss setzen. Er will uns in einer halben Stunde drüben sehen. Also beeilt euch!«
    »Aber wie soll es gehen?«, fragte Sergej den Tataren leise, als dieser wieder herabgesprungen war.
    »Tu dasselbe wie ich!«, riet Kitzaq ihm und begann, sich bis auf die Haut auszuziehen. Dann nahm er seinen erbeuteten Karabiner, die Kugeln und das Pulver aus den Satteltaschen, wickelte alles in Kleidung und Decken ein und schnallte das Bündel so auf dem Rücken seines Pferdes fest, dass die oberen Teile über den Kopf des Tieres ragten.
    »Wenn das Pulver nass wird, werde ich mir von den Schweden neues holen.« Es klang so selbstverständlich, als müsse er nur deren Lager betreten und sie um das Gewünschte bitten.
    Sergej folgte seinem Beispiel, und im Gegensatz zu Wanja, der sich von einem Kalmücken helfen lassen musste, schaffte er es, seine Sachen ebenfalls zu einem hochragenden Packen zu binden, dessen oberster Teil seinen Säbel und die beiden Pistolen samt Munition enthielt.
    Wanjas Blick wanderte zum gegenüberliegenden Ufer, das ihm mit einem Mal so fern zu sein schien wie die finnische Küste von Sankt Petersburg aus. »Wollt Ihr wirklich den Leuten befehlen, dort hinüberzuschwimmen?«
    Sergej lachte nur und deutete auf einige Krieger, die auf Kitzaqs Wink hin ihre Pferde zum Ufer führten und in das Wasser hineintrieben. Zu Beginn hatten Mensch und Tier noch Boden unter den Füßen, doch nach einer Weile begannen die Pferde zu schwimmen. In dem Moment ergriffen ihre Reiter die Schwänze ihrer Tiere und ließen sich durch das Wasser ziehen. Es sah so komisch aus, dass Wanja lachen musste und seine Angst für einen Augenblick vergaß. Als jedoch er an der Reihe war, klammerte er sich anden Schwanz seines Burok und flehte den heiligen Jurij und den heiligen Wladimir an, ihn nicht untergehen zu lassen.
    Die tatarische Art, die Newa zu überwinden, war um einiges einfacher als die der Schweden, und als Sergej am anderen Ufer seine Reiter zählte, hatte er keinen einzigen verloren. Auch die Pferde waren alle gut über den Fluss gekommen. Der einzige Verlust bestand aus dem größten Teil von Wanjas Packen, der sich gelöst hatte und nun von den Fluten der Newa nach Sankt Petersburg getragen wurde. Murrend griff der Wachtmeister nach seiner nass gewordenen Ersatzkleidung, die traurig vom Sattel herabhing, breitete sie über einem Gebüsch zum Trocknen aus und wickelte sich in eine Decke, die er aus Schirins so gut wie trocken gebliebenem Packen gezogen hatte.
    »Der gute Bahadur wird sicher nicht wollen, dass ich mir einen Schnupfen hole«, erklärte er seinem Hauptmann.
    Sergej klopfte ihm lachend auf die Schulter. »Das glaube ich auch nicht.« Noch während er es sagte, wanderte sein Blick zum Himmel. Es würde noch etwa zwei Stunden hell bleiben, und zwischen ihnen und den Schweden erstreckte sich ein schönes Stück Weg.
    »Wir sollten aufbrechen«, sagte er zu Kitzaq.
    Wanja schreckte auf. »Ich dachte, wir würden hier lagern?«
    Sergej hob beschwichtigend die Hand. »Das werdet ihr tun. Kitzaq und ich aber ziehen los, um Bahadur herauszuhauen.«
    »Da komme ich mit!« Wanja machte Anstalten, seine Decke abzustreifen und in seine nasse Kleidung zu schlüpfen, doch Kitzaq hielt ihn fest. »Du musst hier bleiben und auf die Kerle aufpassen. Oder willst du, dass sie ihre Beute nehmen und

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