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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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jungen, stolzen Tataren in die Arme schließen zu können. Zu mehr wagte er sich trotz eines körperlichen Drängens auch in seiner Phantasie nicht zu versteigen.
    »Es wird Zeit, dass wir kämpfen und es diesen selbst ernannten Löwen aus Mitternacht zeigen!«, rief er den anderen zu, als der an dieser Stelle südwärts strebende Dnjepr hinter ihnen zurückblieb. Er erhielt keine Antwort, doch im Grunde seines Herzens wusste er, dass die anderen genauso dachten. Ein Sieg über die Schweden würde es seinen Steppenkriegern ermöglichen, mit dem Gold, zu dem sie ihre bisherige Beute gemacht hatten, und einem Packpferd voll neuer Reichtümer in ihre Heimat zurückzukehren.

VII.
    Am dritten Tag sahen sie den Vortrab von Lewenhaupts Armee vor sich. Zu Sergejs Verwunderung handelte es sich nur um eine einzige Dragonerkompanie, die sich ohne auszuschwärmen auf der Straße hielt, als würde sie im tiefsten Frieden durch ihre Heimat reiten und nicht durch feindliches Land. Die Schweden kümmerten sich kaum um ihre Umgebung, sondern unterhielten sich fröhlich, und von Zeit zu Zeit machten große Steingutkrüge die Runde.
    »Also, Sergej Wassiljewitsch, wenn mir das jemand erzählt hätte, würde ich es nicht geglaubt haben. Was denken diese Schweden, wer sie sind?« Wanja schüttelte konsterniert den Kopf, denn ihr Trupp hatte sich den Dragonern bis einen halben Werst genähert und war immer noch nicht entdeckt worden.
    Sergej gab seinen Leuten ein Zeichen, sich in das Wäldchen zurückzuziehen, das beinahe bis an die Straße reichte, stieg selbst im Schutz einiger Büsche vom Pferd und rieb sich zufrieden die Hände. »Ich glaube, ich weiß, was in den Köpfen der Schweden vor sich geht. Die Kerle sind überzeugt, das Heer ihres Königs sei nicht weit vor ihnen, und sie können sich nicht vorstellen, dass wir Russen uns in den Rücken des zwölften Carl wagen würden.«
    Er winkte die Unteranführer zu sich. »Passt auf! Wir lassen die Schweden bis auf Pistolenschussweite herankommen, geben Feuer und greifen dann mit blankem Säbel an. Wir sind diesem Vortrab mehr als vierfach überlegen, also dürfte uns keiner entkommen.«
    Einige Männer lachten so laut, als hätte er eben einen unanständigen Witz erzählt. Ärgerlich bedeutete er ihnen, still zu sein, und spähte gleichzeitig zu den Schweden hinüber. Doch die schienen immer noch nichts bemerkt zu haben und ritten geradewegs in die Falle. Einen Augenblick lang dachte er daran, dass er eigentlich Orderhatte, die erste Begegnung mit dem Feind sofort an Menschikow weiterzumelden und einem direkten Kampf auszuweichen, aber dieses Scharmützel wollte er sich nicht entgehen lassen. Er zog die Pistole aus dem Halfter und machte sie schussfertig. Die Meldung an Menschikow sah gewiss vorteilhafter aus, wenn sie mit einem Sieg garniert war.
    Sergej beobachtete, wie die Reiter in ihren neuen, blauen Uniformen und den schwarzen Dreispitzen näher kamen. Wie ihre Pferde waren sie jung, kräftig und gut genährt. Jeder von ihnen hielt einen Karabiner mit blinkendem Lauf und dunkel gebeiztem Kolben aus Walnussholz in der Hand und benahm sich, als wäre Russland längst unterworfen.
    »He, Nils, wann glaubst du, werden wir Mogilew und das Heer des Königs erreichen?«, fragte eben einer seinen Kameraden. Die Antwort bestand aus einer Kugel aus Sergejs Lauf.
    Heulend und brüllend feuerten seine Steppenwölfe ihre Karabiner und Flinten ab. Die meisten Schweden kippten aus den Sätteln, als hätte ein riesenhafter Schnitter sie gefällt, und der Rest hauchte wenig später sein Leben unter den Klingen der Angreifer aus. Wie Sergej erwartet hatte, gelang keinem einzigen die Flucht, so überraschend waren die Angreifer über sie gekommen. Während Sergej nach Offizieren suchte, die nur verletzt waren, fingen seine Leute die schwedischen Gäule ein und ließen alles, was sie brauchen konnten, in den Satteltaschen verschwinden.
    Nur wenige Augenblicke später klangen hinter ihnen Hornsignale auf, und Sergej wusste, dass sie nun den Rückzug antreten mussten. »In die Sättel, ihr Steppenwölfe, und dann nichts wie weg!«, rief er, während er sich auf Moschkas Rücken schwang. Wenige Sekunden später waren er und seine Reiter zwischen Bäumen und Büschen verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst, und zwei heranstürmende schwedische Kürassierschwadronen fanden nur noch ausgeplünderte Leichen vor.

VIII.
    Nach dieser ersten Begegnung mit einer kampfbereiten russischen

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