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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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schützend nach ihrer Hand und scheuchte die Wachen ein Stück weg.
    »Von welchem Geheimnis sprichst du, Tatar?«, fuhr sie Kitzaq halblaut an.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust und gab vor, er müsse sich das Ganze noch einmal überlegen. »Ich will Bahadur nicht durch das, was ich jetzt sage, schaden.«
    »Das wirst du gewiss nicht!«, versprach Jekaterina, wobei ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie keine großen Neuigkeiten erwartete. Doch bei Kitzaqs nächsten Worten musste sie einen ungläubigen Aufschrei unterdrücken. »Sag das noch einmal!«, befahl sie ihm.
    »Bahadur ist in Wahrheit eine Frau!«
    Jekaterina blickte Kitzaq an, als zweifle sie an seinem Verstand, doch der Tatar nickte bekräftigend. »Ich sage die Wahrheit! Bahadur heißt in Wirklichkeit Schirin und ist auch nicht die Tochter der Lieblingsfrau Möngür Khans. Ihre Mutter war eine russische Sklavin, die Natalja hieß.«
    Marfa kreischte auf. »Was sagst du da?«
    Jekaterina musste ihre Freundin stützen, denn Marfa schwankte vor Aufregung, und ihr flossen die Tränen in Strömen über die Wangen. »Wenn du lügst, Tatar, werde ich dafür sorgen, dass du deine unbedachten Worte bereust, ehe dieser Tag sich neigt.«
    Ihre Warnung entlockte Kitzaq nur ein Lächeln. »Ich lüge nicht. Schirin ist die Tochter einer Frau, die deiner Freundin ähnlich gesehen hat. Im Unterschied zu ihr hatte sie ein Muttermal über der Lippe, genau hier.« Kitzaq deutete an den Ansatz seiner rechtenWange und sah, wie Marfa unter Tränen nickte. »Es muss meine Schwester Natalja gewesen sein.«
    Jekaterina interessierte sich weniger für die mögliche Verwandtschaft des verurteilten Deserteurs als vielmehr für Schirins Geschlecht. Ihre Miene drückte gleichzeitig Unglauben, Ärger und heimliches Vergnügen aus. »Wenn du Recht hast, Tatar, wäre es das Verrückteste, was ich je erlebt habe, außer meinem eigenen Schicksal vielleicht.« Sie spielte damit auf ihre Karriere an, die die einstige Dienstmagd eines livländischen Pastors bis in das Bett des russischen Zaren geführt hatte.
    Kitzaq kannte diese Geschichte nicht und hatte auch kein Interesse nachzufragen, denn ihm ging es um Schirin. »Kannst du das Mädchen retten, Frau?«
    Marfa faltete die Hände und sprach ein kurzes Gebet, dann drehte sie sich erregt zu Jekaterina um. »Ich muss sofort zu ihr, um mich zu überzeugen, ob der Tatar die Wahrheit gesprochen hat. Wenn sie meine Nichte ist, darf sie nicht länger leiden. Sie ist doch noch ein Kind, und …«
    Jekaterina packte ihre Freundin und schüttelte sie durch. »Jetzt beruhige dich doch. Du kennst Pjotr Alexejewitsch ebenso gut wie ich. Sein Zorn macht vor nichts Halt, auch nicht vor deiner Nichte. Das müssen wir geschickter angehen, und ich glaube, ich habe auch schon eine Idee.«
    Sie atmete tief durch und warf dem Zelt des Zaren einen zweifelnden Blick zu. Dann straffte sie ihre Schultern, löste ihren Griff von Marfa und nickte der Freundin begütigend zu. »Sorge dafür, dass unser Zelt aufgestellt wird und eine Badewanne zur Verfügung steht, wenn ich zurückkomme.«
    Marfa nickte und eilte mit einem Mal so leichtfüßig davon, als hätte ihr Kitzaqs Nachricht nach dem ersten Schock neuen Lebensmut eingeflößt. Jekaterina trat in Pjotr Alexejewitschs Zelt.
    Der Zar saß auf seinem Klappstuhl, den er selbst angefertigt hatte, und rauchte Tabak aus einer langen Tonpfeife. Sein Blick ruhte dabeiauf einer Karte des Umlands, und immer wieder tippte er mit dem linken Zeigefinger auf den Kreis, den er um die kleine Stadt Poltawa gezogen hatte.
    »Führst du deine Regimenter in Gedanken gegen die Schweden?«, fragte Jekaterina leise.
    Der Zar fuhr erschrocken hoch, doch die Maske des Zorns, die sein Gesicht eben noch beherrscht hatte, verflog, als er die Besucherin erkannte. »Katinka! Ist das eine Freude, dich zu sehen.« Er sprang auf, warf die Pfeife zur Seite und umarmte seine Geliebte.
    »Ich habe mich so nach dir gesehnt«, rief er, während er Jekaterinas Gesicht mit Küssen bedeckte. Dann wurde er mit einem Mal ernst und versuchte, eine tadelnde Miene aufzusetzen. »Ich hatte dir doch verboten, hierher zu kommen. Es ist viel zu gefährlich für dich!«
    »Auch nicht gefährlicher als für dich! Außerdem war mir mein Bett allein zu kalt.« Jekaterina nahm lachend seinen Kopf in beide Hände, zog ihn herab und küsste ihn voller Leidenschaft. Pjotr Alexejewitsch erwiderte den Kuss und ließ dann seine Hände über ihren Körper wandern,

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