Die Tatarin
seinem Inneren standen ein kleiner Tisch mit gedrechselten Beinen und zwei passende Stühle sowie ein mit einem bestickten Tuch überzogenes Feldbett, mehrere Truhen und eine Wanne aus Kupferblech, die man mit warmem Wasser gefüllt haben musste, denn es stieg leichter Dampf aus ihr auf. Schirin wunderte sich nicht, die Geliebte des Zaren vor sich zu sehen, auch wenn sie sich fragte, was Jekaterina bewogen hatte, sie holen zu lassen. Dann entdeckte sie Marfa Alexejewna, die starr wie eine Statue neben dem Eingang stand.
Der Adjutant salutierte vor Jekaterina. »Hier ist der Gefangene, Mütterchen!«
»Das sehe ich!«, antwortete die Geliebte des Zaren lächelnd. »Du kannst jetzt gehen und deine vier Soldaten mitnehmen, Söhnchen. Ich passe schon auf, dass der Gefangene uns nicht entwischt. Ach ja, nimm ihm vorher noch die Handschellen ab.«
Es lag genug Spott in Jekaterinas Stimme, um den jungen Offizier rot werden zu lassen. Schirin hatte jedoch das unbestimmte Gefühl, dass die Heiterkeit der Frau nicht dem sichtlich verwirrten Adjutanten galt, sondern ihr, und sie versuchte sich gegen alles zu wappnen, was nun kommen mochte.
Der Blick des Offiziers wanderte von Jekaterina zu Schirin und wieder zurück – unsicher, was er tun sollte. Die Gardisten nahmen ihm schließlich die Entscheidung ab, denn sie lösten Schirins Fesseln, schulterten dann ihre Musketen und verließen das Zelt. Ein Blick auf Jekaterina verriet ihrem Anführer, dass er seinen Männern schleunigst folgen sollte.
Als der Mann draußen war, nickte Jekaterina zufrieden und klatschte in die Hände. Sofort erschienen zwei kräftige Dienerinnen, die den Eingang hinter dem Offizier zubanden.
Jekaterina trat auf Schirin zu und schnupperte vernehmlich. »Du hast ein Bad dringend nötig, mein Kleiner, und wie du siehst, haben wir bereits alles vorbereitet.«
Schirin zuckte zusammen, wirbelte herum und suchte verzweifelt nach einem Fluchtweg, doch die beiden Mägde packten sie und schleiften sie trotz ihres heftigen Sträubens auf die Badewanne zu.
»Haltet sie gut fest. Das Ausziehen übernehme ich«, befahl Jekaterina.
Schirin wehrte sich so verzweifelt, dass sie die weibliche Anrede überhörte. Da die Mägde ihr die Arme hinter den Rücken gedreht hatten, stieß sie mit den Füßen nach Jekaterina, als diese ihr den Kaftan öffnen wollte. Doch da war Marfa Alexejewna zur Stelle und hielt ihre Beine fest. »Ist das ein Wildfang!«, keuchte die Frau.
»Lasst mich los!«, schrie Schirin panikerfüllt, als ihr Kaftan in Fetzen gerissen wurde und die Reste in eine Ecke flogen. Als sie sich trotz der vielen Hände, die sie hielten, aufbäumte, lachte Jekaterina sie aus, drückte sie zu Boden und schlitzte mit einem kleinen Messerchen das rote Seidenhemd auf. Dabei wurde die Binde sichtbar, mit der Schirin ihre Brüste flachgepresst hatte. Mit einem belustigten Zungenschnalzen trennte Jekaterina auch diese auf und tippte dann mit dem Zeigefinger der linken Hand auf die beiden Hügel, die sich von ihren Banden befreit aufrichteten und keinen Zweifel daran ließen, dass sie es tatsächlich mit einer Schirin zu tun hatte.
»Nicht viel, aber ausreichend für ein Mädchen«, befand die Geliebte des Zaren. »Jetzt aber will ich sehen, wie du unten gestaltet bist.« Sie ließ ihren Worten Taten folgen, und ehe Schirin sich versah, stand sie nackt vor ihr und war nicht einmal in der Lage, ihre Blöße zu bedecken. Das Mädchen fühlte sich innerlich vor Schreck wie zu Eis erstarrt und schämte sich wie noch nie in ihrem Leben, dann aber packte sie eine wilde Wut auf die Frau, die ihr seit zwei Jahren erfolgreiches Täuschungsspiel so leicht hatte durchschauen können. Sie bäumte sich auf und versuchte, sich mit Kratzen und Beißen zu befreien.
Jekaterina gab ihr eine Ohrfeige, die kaum schwächer war als jene, die Schirin im letzten Herbst von Sergej erhalten hatte. »Entweder du gehorchst jetzt, oder ich überlasse dich den Soldaten, die dich gebracht haben!«
Schirin begriff nicht, dass es nur eine leere Drohung war, sondern senkte schaudernd den Kopf. Im selben Moment stieß Marfa einen erstickten Ruf aus und hob einen Anhänger auf, der zwischen der Kleidung des Mädchens lag. Er war an einer Lederschnur befestigt, die mit dem Hemd aufgeschnitten worden war.
»Sie ist Nataljas Kind. Sieh her, Katjuschka!« Mit der Linken kramte Marfa in ihrem Ausschnitt und brachte eine dünne Goldkette zum Vorschein, an dem ein Zwilling des Anhängers hing.
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